Beschreibung
Vorwiegend in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat auf dem europäischen Kontinent die in Wirtschaft, Kultur und Geistesleben aufstrebende Schicht des Bürgertums um den ihr gemäßen Anteil an der staatlichen Macht, deren Ausübung bisher ein Privileg von Dynastien gewesen war, gekämpft. In Deutschland war dieses säkulare Ringen in mehrfacher Weise durch weitreichende Besonderheiten determiniert. Es vollzog sich hier nicht auf der nationalen Ebene, sondern in rund drei Dutzend staatlichen Gebilden von ganz unterschiedlicher Art und Stärke. Dort regierten teils seit Jahrhunderten im Land verwurzelte Dynastien, die deswegen umso selbstverständlicher das Herrschen als ihr Privileg betrachteten. Zusätzlich standen sie nicht mehr - wie noch zuvor in den feudalen Territorien - in Konkurrenz mit einer Vielzahl von Gewalten. Vielmehr waren sie nun die alleinigen Inhaber der Staatsgewalt beträchtlich vergrößerter und modernisierter Fürstentümer. Diese waren Glieder eines Bundes, der das nachrevolutionäre Europa auf der Grundlage der monarchischen Alleinherrschaft stabilisieren wollte. Das Ergebnis war eine deutsche Form der konstitutionellen Monarchie, in der die Distanz des Bürgertums zur staatlichen Macht für ein Jahrhundert befestigt wurde, obwohl seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenz dem seiner politisch erfolgreicheren Standesgenossen in West- und Nordeuropa in nichts nachstand. Die Ursachen dafür - so die Hypothese dieser Studie - lassen sich wohl am ehesten in dem Zeitraum finden, in dem die Bürger in Deutschland so selbstbewusst wie nie mehr um größeren politischen Einfluss gerungen haben. Dabei wird deren Selbstverständnis und deren Organisationsformen, den fürstlichen Abwehrstrategien und den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Durch die vergleichende Betrachtung der Verhältnisse in Süddeutschland und Preußen wie gelegentliche Ausblicke auf andere Bundesstaaten wird versucht, eine Gesamtschau über die vielgestaltige deutsche Entwicklung zu geben. Die in dem Zeitraum zwischen dem aufgeklärten Absolutismus und dem Scheitern der Revolution von 1848/49 gefallene verfassungsgeschichtliche Entscheidung erwies sich bis zum Ende des Kaiserreichs und seiner Bundesstaaten als nicht mehr revidierbar. Aus dieser Einsicht heraus wird abschließend das Wechselverhältnis von Parlamentarismus und Liberalismus im Vormärz gewürdigt.
Leseprobe
Leseprobe