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Wir nennen es Arbeit

Die digitale Boheme oder: Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung

Erschienen am 01.07.2008
Auch erhältlich als:
8,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453600560
Sprache: Deutsch
Umfang: 304 S., mit s/w-Illustrationen
Format (T/L/B): 2 x 18.7 x 12.7 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Die digitale Bohème verzichtet dankend auf einen Arbeitsvertrag und verwirklicht mit neuen Technologien den alten Traum vom selbstbestimmten Leben. Laptops und Weblogs sind ihre Werkzeuge, eBay und MySpace ihre Plattformen. Ihre Produktionsweisen verändern den Charakter des Internets, der Märkte und längst auch der Gesellschaft. Holm Friebe und Sascha Lobo porträtieren einen zeitgemäßen Lebensstil und erklären die wirtschaftlichen, technischen und sozialen Hintergründe. Ihre spannende Analyse inspiriert dazu, so zu arbeiten, wie man leben will.

Leseprobe

Als Maulwurfshaut, englisch: 'Moleskin', bezeichnete man früher einen billigen Bezugsstoff aus Wachs und dunkler, angerauter Baumwolle, der von Ferne tatsächlich an das samtige Stoppelfell von Maulwürfen erinnerte. Ursprünglich wurde das strapazierfähige Material etwa als Sitzbezug für die harten Holzbänke in Pariser Kneipen und Kaschemmen verwandt. Aber auch die preiswerten Notiz- und Skizzenbücher der Künstler und Literaten, die sich in diesen Etablissements aufhielten, waren mit Maulwurfshaut bezogen, was ihnen auch die umgangssprachliche Bezeichnung verlieh. 'Moleskine ist das legendäre Notizbuch der Künstler und Intellektuellen der vergangenen zwei Jahrhunderte: von van Gogh bis Picasso und von Ernest Hemingway bis Bruce Chatwin. Ein handlicher, zuverlässiger Reisegefährte für Skizzen, Notizen, Geschichten und Eindrücke, bevor sie zu berühmten Bildern oder zu Seiten von geliebten Büchern werden sollten.' So steht es in sechs Sprachen auf dem Beilegezettel zum heute unter gleichem Namen angebotenen Notizbuch. Ursprünglich 'von kleinen französischen Betrieben hergestellt, die die von der internationalen Avantgarde frequentierten Pariser Schreibwarengeschäfte belieferten', sei es irgendwann verschwunden und lange Zeit unauffindbar gewesen. Bis 1998, um genau zu sein, als die italienische Firma Modo & Modo sich die Markenrechte sicherte und das ehedem spottbillige Büchlein in gehobener Ausstattung wieder auflegte, zwar ohne Maulwurfshaut, dafür in chinesischem Kunstleder mit Fadenheftung, Lesebändchen und Gummiband zum Arretieren. Weltweit wird es in zahllosen Varianten über Schreibwarenläden, Buchhandlungen, Museumsshops und das Internet vertrieben und ist allem Anschein nach - trotz eines Preises von über zehn Euro für die Basisversion - ein echter Verkaufsschlager. Zur Erklärung noch einmal der Marketing-Waschzettel: 'Das legendäre schwarze Notizbuch kehrt zurück, um von einer Tasche in die andere zu wandern, und begleitet mit seinen unterschiedlichen Seitenlayouts die kreativen Berufe und die Ideenwelt unserer Zeit.' Ganz offensichtlich trifft das Moleskine-Notizbuch einen Nerv der Zeit, wenn nicht nur Schriftsteller und Künstler es benutzen (denen es nicht selten zu teuer ist), sondern immer mehr ganz normale Menschen in Angestelltenberufen. Es scheint ein Symptom zu sein - fragt sich nur, für was? Nils Minkmar von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (27.11.2005) meinte darin ein kollektives Auflehnen gegen die Übertechnisierung des Alltags zu erkennen: 'Das Neue kostet zu viel Zeit. Immer verlangt es nach Aufmerksamkeit und Strom. Moleskine-Notizbücher stellen sich diesem Wahn entgegen.' Aber so ganz kann das auch nicht stimmen, denn häufig begegnet man dem Büchlein in Begleitung technischer Gegenstände und Gadgets wie Mobiltelefon und Digitalkamera. Tobias Kniebe argwöhnte deshalb im SZ-Magazin (13.4.2006), dass es sich um ein reines Prestigeobjekt handelt: 'Es spielt nicht die geringste Rolle, was Sie in ein Moleskine hineinschreiben. Entscheidend ist, dass Sie es im richtigen Moment aus der Tasche ziehen, dass Sie es souverän zu handhaben wissen und dass Sie den simplen Vorgang, das Ergebnis einer Hirntätigkeit zu notieren, auffällig und vor Publikum erledigen.' Auch das ist natürlich journalistisch überpointiert, denn tatsächlich sind die Büchlein praktisch und verfügen als analoges Speichermedium und perfekte Ergänzung zu Rechner und Laptop über einen hohen Gebrauchswert. Hat man sich einmal daran gewöhnt, möchte man nicht mehr darauf verzichten. Darüber hinaus aber liefern sie einen symbolischen Mehrwert, indem sie den Verwender und seine Aufzeichnungen in die Tradition großer Künstler und Schriftsteller stellen, die das Arbeiten außer Haus perfektioniert haben. Die viel bemühte Forderung von Joseph Beuys 'Jeder Mensch ein Künstler!' wird auf diese Art schleichend in den Alltag übersetzt. Das Moleskine-Notizbuch ist der Bohème-Gegenstand schlechthin. An seiner Verbreitung lässt sich ablesen, wie weit ei Leseprobe

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