Beschreibung
Hauptfigur ist die lebensfrohe Paula, die in einer widrigen Umgebung ihren Weg geht Paula kann Pferde nicht ausstehen, weil ihre Mutter die Familie für einen Reiter verließ. Doch dann muss sie zu ihrer Mutter auf das Gestüt ziehen widerborstig will sie sich auf nichts einlassen, doch die pfiffige Zora und der attraktive Juri machen es ihr schwer, unfreundlich zu sein
Autorenportrait
Brigitte Blobel, 1942 in Hamburg geboren, studierte Theaterwissenschaften und Politik und arbeitete in Frankfurt als Redakteurin bei 'Associated Press'. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin hat sie zahlreiche Bücher für Jugendl
Leseprobe
Die Sommer sind das Beste am ganzen Jahr. Für mich jedenfalls ist das so. Okay, der Frühling kann manchmal ganz nett sein, im Herbst aber werde ich melancholisch und von da an geht es nur noch bergab mit den Temperaturen, mit der Helligkeit, mit meiner Stimmung. Der Winter kommt unaufhaltsam jeden Tag näher. Die Winter hasse ich. Man muss dicke Klamotten tragen und irgendwas kratzt immer. Die empfindliche Haut habe ich von meinem Vater geerbt. Im Winter ist meine Haut fast weiß, ganz durchscheinend. Renate Niemann sagte immer: 'Deine Haut ist wie chinesisches Porzellan.' Ich glaube, sie meinte das als Kompliment. Sie selbst hatte eine Haut wie eine Indianerin. 'Gegerbtes Leder', scherzte sie. Renate Niemann war meine Ballettlehrerin und noch viel mehr. Sie war so eine Art Mutterersatz für mich. Falls es so etwas überhaupt geben kann: einen Ersatz für die eigene Mutter. Alles andere kannst du mehrfach haben - nur die leibliche Mutter nicht. Die Frau, die dich neun Monate im Bauch herumgetragen hat, die gibt es nur einmal. Bis zur Geburt war man durch eine Nabelschnur verbunden mit seiner Mutter. Vielleicht verbirgt sich in dieser Nabelschnur irgendein Geheimnis? Mit einer Schere wird sie durchtrennt, und dann liegt man als kleines, feuchtes, nacktes Baby da auf einem Hebammentisch, läuft rot und blau an, hört Stimmen und Lärm, spürt Kälte, vermisst die schöne warme Hülle, in der man vorher war, und beginnt zu schreien. Alle freuen sich, der Doktor, die Schwestern und die Mutter, die den Kopf hebt, ihr Baby anschaut und lächelt. Aber ich wollte ja vom Sommer reden, von der schönen Jahreszeit, eigentlich. Man trägt keine Strümpfe, zieht kurze Kleider an, steckt die Haare im Nacken hoch, damit man nicht schwitzt, und träumt von Abenteuern. Die Luft riecht nach Jasmin und Flieder, nach Holunderblüten und gemähtem Gras, und wenn man in der Stadt wohnt und alle Fenster geöffnet sind, hört man die Nachbarn reden, lachen, schimpfen. Die Abende sind hell und lau. Wer Glück hat, hört die Grillen zirpen und sieht Glühwürmchen. Ich bin ein hoffnungslos romantischer Mensch. In der Schule reden alle zu Beginn des Sommers nur noch vom Verreisen irgendwohin an das Ende von Deutschland oder das Ende der Welt. In diesem Sommer, von dem ich erzähle, wollten Papi und ich an die Adria, nach Italien. Als es so weit war, konnte Papi das Mittelmeer höchstens noch in seinen Träumen sehen. Ich weiß nicht, ob man überhaupt träumt, wenn man vor sich hindämmert. Ich habe Papi auch nicht gefragt. Und von sich aus hat er in all den Wochen, die er im Krankenhaus lag, nie mehr von unserer Ferienreise an die Adria gesprochen. Mein Vater und ich haben in Köln gewohnt. Altbau ohne Aufzug, vier Zimmer mit Gemeinschaftswaschküche im Keller und einem Trockenboden unter dem Dach. Kein Mensch hat seine Wäsche je auf dem Boden aufgehängt. Da brachte jeder Mieter immer nur die Sachen hin, von denen er wusste, dass er sie nie mehr brauchen würde. Wir hatten Stuck an den Wänden. Das sind Verzierungen aus Gips, die früher sehr modern waren. Mein Vater nannte unsere Wohnung immer 'unseren kleinen Palazzo'. Mein Zimmer war durch eine Schiebetür mit dem Wohnzimmer verbunden, von da ging es in das Esszimmer und dann in den Flur. Papis Zimmer war für ihn Arbeitszimmer und Schlafzimmer zugleich. Es lag am hinteren Ende der Wohnung, weil er immer erst morgens um eins oder zwei ins Bett ging und mich nicht stören wollte. Bis klar wurde, dass mein Vater Krebs hat und bald sterben würde, konnte ich schlafen wie ein Murmeltier. Wir lebten allein, Papi und ich, ohne Mutter. Die war uns abhandengekommen, als ich drei Jahre alt war. Aber darüber redeten wir nicht. Meine Mutter wurde nie erwähnt, so als gäbe es sie nicht und als wäre ich nie durch eine Nabelschnur mit ihr verbunden gewesen. Das war komplett unnatürlich, merkwürdig, aber ich hatte mich in all den Jahren daran gewöhnt, nicht von meiner Mutter zu sprechen. Ich erwähnte Papi gegenüber nicht einmal die Mütter meiner F