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Digitale Glokalisierung

Das Paradox von weltweiter Sozialität und lokaler Kultur, Campus Forschung 963

Erschienen am 02.10.2013, 1. Auflage 2013
46,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593399508
Sprache: Deutsch
Umfang: 325 S.
Format (T/L/B): 2 x 21.3 x 14.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

InhaltsangabeInhalt 1. Einleitung: Information & Communication Technologies (ICTs) und Globalisierung 1.1 Das Erkenntnisinteresse: Der Zusammenhang von ICTs und Globalisierung als soziologisches Problem 1.2 Konstruktion des Forschungsfeldes: Die "digitale Sprachkluft" und das ICT Development Project 1.3 Grundzüge des Forschungsverfahrens und Überblick über den Aufbau der Arbeit 2. Forschungsfeld und -gegenstand: ICT-Lokalisierung und das ICT Development Project 2.1 Was bedeutet Lokalisierung? 2.2 Skizze des ICT Development Project 3. Herleitung und Ausformulierung der Fragestellung 3.1 Die Erzeugung von ICT-Nutzungspraktiken als Aktualisierung der virtuellen Kulturtechnik des Digitalisierens 3.2 ICTNutzungspraktiken als stabilisierte Operationsketten 3.3 ICTNutzungspraktiken als von KulturProgrammen geformte Operationsketten 3.4 Die gezielte Erzeugung von ICT-Nutzungspraktiken als strategisch-experimentelles Entwerfen von Kultur-Programmen 4. Forschungsdesign: Perspektive, Methoden und Prozess 4.1 Methodologische Vorüberlegungen 4.2 Die Forschungsperspektive: Multi-Sited Ethnographic Case Study 4.3 Methode I: Teilnehmende Beobachtung 4.4 Methode II: Ethnographische Interviews/ExpertInnen-Interviews 4.5 Methode III: Dokumentenanalyse 4.6 Schluss: Der Forschungsprozess 5. Das Projektnetzwerk: Genese und strukturelle Logiken 5.1 Die Genese des Netzwerks 5.2 Netzwerkstruktur und -operationen in der ersten Projektphase (2004-2007) 5.3 Das Projektnetzwerk als Kontrollkaskade: Die Machttechnik der positiven Fernkontrolle 5.4 Strategische Neuausrichtung und Restrukturierung des Netzwerks: Die zweite Projektphase (2007-2010) 6. Der strategisch-experimentelle Entwurf des Kultur-Programms 6.1 Grundzüge der Strategie: Anschluss an die >Global Society< über die Errichtung von Experimentalsystemen 6.2 Das neuentworfene Kultur-Programm 6.3 Ein Widerspruch als Symptom: Gender In/Equity 6.4 Anstelle eines Fazits: Der strategische Bruch - oder: Offenheit/ Kontrolle und das Paradox der Digitalen Glokalisierung 7. Sozialität ohne Kultur - Schlussüberlegungen zum Problem der Digitalen Glokalisierung Siglen Literatur Dank

Autorenportrait

Carsten Ochs ist Soziologe am European Center for Security and Privacy by Design an der TU Darmstadt.

Leseprobe

1 Einleitung: Information & Communication Technologies (ICTs) und Globalisierung "Wer es sich angewöhnte, auf trockenem Land zu leben, verfiel bald in sonderbare und komische Verhaltensweisen. Er vergaß, dass alles in Gottes Schöpfung sich bewegte, und erlag der grotesken Vorstellung, man könne einen Gegenstand, wie etwa einen Schrank, in einem Raum wie diesem in eine bestimmte Position wuchten, mit Segeltuch abdecken, ohne ihn irgendwie festzuzurren, und würd ihn, wenn man zwanzig Jahre später wiederkäme, genau dort vorfinden, wo man ihn zurückgelassen hatte." (Neil Stephenson 2008) 1.1 Das Erkenntnisinteresse: Der Zusammenhang von ICTs und Globalisierung als soziologisches Problem "Everyone has the right to freedom of opinion and expression; this right includes freedom to hold opinions without interference and to seek, re-ceive and impart information and ideas through any media and regardless of frontiers." Mit diesen Worten buchstabieren die United Nations (UN) in Artikel 19 der "Universal Declaration of Human Rights" ein grundsätz-liches Menschenrecht auf Information aus. Die "Practice Note: Acces to Information" des United Nations Development Programme erläutert den Artikel wie folgt: "Article 19 covers both concepts of information and communi-cation. By doing so, people then become generators, users and conduits of in-formation." (UNDP 2003: 3; kursiv i.O.) Verschiedenste Organisationen und Akteure, die sich die Förderung von sozioökonomischen "Entwick-lungsprozessen" auf die Fahnen geschrieben haben, beziehen sich immer wieder auf diesen Artikel, um jene Bemühungen zu rechtfertigen, welche darauf abzielen, die Verbreitung von Information and Communication Tech-nologies (ICTs) und deren Nutzung voranzutreiben. Diese Organisationen und Akteure bewegen sich in einem diskursiven Feld, das üblicherweise mit der Abkürzung ICT4D bezeichnet wird. Das Kürzel steht für Information and Communication Technologies for Development (übersetzt: "Informations- und Kommunikationstechnologien für Entwick-lung"). Dem ICT4D-Diskurs zufolge sind für das Menschenrecht auf Zugang zu Information - auf das uneingeschränkte Empfangen und Sen-den von Informationen und unbehinderte Kommunikation also - mit der technischen Implementierung des digitalen Rechenprinzips der Universal Machine (vgl. Turing 1936), mit dem Internet und dem World Wide Web neue Voraussetzungen geschaffen worden: Vom in Artikel 19 festge-schriebenen Recht könne ohne Zugang zu ICTs nur sehr bedingt Ge-brauch gemacht werden. Die grundsätzliche Argumentationsfigur des ICT4D-Diskurses besteht dann in einem Doppelschritt: ICT-Gebrauch ermöglicht Teilhabe an Globalisierungsprozessen; Teilhabe an Globali-sierungsprozessen ermöglicht sozioökonomische "Entwicklung". Genau in dieser Weise argumentieren beispielsweise Robert R. Romulo, Chairman der e-ASEAN Task Force und Shahid Akhtar, ehemaliger Programm-koordinator des Asia Pacific Development Information Programme (APDIP) 2003 im Vorwort einer gemeinsam mitherausgegebenen Publikation: "One [of] the many challenges facing the countries in the Asia-Pacific today is preparing their societies and governments for globalization and the information and communication revolution. [.] with enabling information and communication technologies (ICTs), countries can face the challenge of the information age. With ICTs they can leap forth to higher levels of social, economic and political development." (Romulu/Akhtar in Soriano 2003: 2) Aus dieser für den ICT4D-Diskurs völlig typischen Argumentationsfigur folgt logisch, dass mangelnder Zugang zu ICTs ein Hindernis für "Ent-wicklungsprozesse" darstellt. Problematisiert wird solch mangelnder Zu-gang üblicherweise als digital divide. Damit wird die Asymmetrie bei der Verbreitung von und des Zugangs zu ICTs beschrieben, welche entlang der Indikatoren für die Verteilung des globalen Wohlstands verläuft (vgl. International Telecommunication Union 2012). Nach dem Dafürhalten von "Entwicklungsorganisationen" handelt es sich bei ICTs also um "Ent-wicklungsmotoren", und die digitale Kluft (übliche deutsche Übersetzung für digital divide) stehe dem Anwerfen dieses Motors entgegen. In einem Papier der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO)-Unterorganisation Orbicom ist beispielsweise die Rede von der "catalytic role of ICTs in creating digital opportunities conducive to development and the danger posed by the Digital Divide" (Orbicom 2005: II). Im Resultat wird das Bekämpfen der digitalen Kluft zum mehr oder weniger festen Bestandteil der Aktivitäten vieler "Entwicklungs-organisationen". In dieser Arbeit wird es keine Rolle spielen, ob der um-rissene ICT4D-Diskurs schlüssig argumentiert; vielmehr geht es zunächst nur darum, dass dieser tatsächlich Technisierungsprozesse und die gezielte Erzeugung sozialer Wirklichkeiten antreibt. Gleichzeitig teilt der ICT4D-Diskurs eine ganz bestimmte Schnitt-menge mit den Wissensbeständen der Sozial- und Kulturwissenschaften. Der kleinste gemeinsame Nenner beider Diskurse besteht in der Annahme, dass binär-digitale ICTs Globalisierungsprozesse vorantreiben oder mit diesen zumindest in einem spezifischen Verhältnis stehen. Es handelt sich hierbei um eine nun schon mehr als 30 Jahre alte (begründete) Vermutung der Sozial- und Kulturwissenschaften. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich beispielhaft mit Jean-Francois Lyotard ansetzen, da dieser schon recht früh auf die soziokulturellen Transformationseffekte hinwies, welche das Aufkommen binär-digitaler ICTs nach seinem Dafürhalten zeitigten. Lyotards Thesen wurden zudem außerordentlich kontrovers diskutiert. Er schrieb bereits 1979, dass die "computerized societies" in das Zeitalter der "Postmoderne" einträten, dass sich mit der "hegemony of computers" eine ganz bestimmte Logik ausbreite, welche den Status von Wissen grundlegend verändere (Lyotard 1984/1979: 4). Staaten würden zukünftig gegeneinander in Informationsschlachten ziehen; gleichzeitig werde aber auch eine Fragmentierung des Staates als Organisationsform erfolgen, weil das computergestützte Loslösen des Kapitals von der Geographie die national-staatliche Kontrolle der Ökonomie untergrabe (ebd.). Die darin implizit enthaltene These einer technologisch induzierten oder gestützten Globalisierung der Ökonomie wird mittlerweile von einer Vielzahl soziologischer KommentatorInnen mitgetragen (vgl. stellvertretend Castells 1996). Ebenso hat die Annahme, dass Transnationalisierungs-prozesse auch vor anderen Dimensionen der Wirklichkeit (Kultur, Migration, Staat, Politik, Krieg etc.) nicht Halt machen in die Soziologie Eingang gefunden (vgl. stellvertretend Martell 2010), und auch in Bezug auf diese anderen Dimensionen werden ICTs oftmals als Auslöser einer fortschreitenden "Denationalisierung" perspektiviert, welche wiederum charakteristisch für das "Global Digital Age" sei (vgl. stellvertretend Sassen 2006).

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