Beschreibung
Große Oper: ein Roman voll tiefer Gefühle und zauberischer Betörungen Was vermag menschliche Güte angesichts einer Welt, in der die Unmoral regiert? Dieser venezianische Bilderbogen erzählt von den Prüfungen einer edlen Seele inmitten des liederlichen Settecento. Er entführt uns in eine hinreißend märchenhafte Welt, wo indes Gut und Böse selten klar voneinander zu scheiden sind. 'Was Verdi für die Musik, ist dieser Autor für Italiens Literatur.' (Lothar Müller)Ein Frühlingsabend im Venedig des Jahres 1749: An der Riva di San Pieretto drängen sich die Gondeln, auf jeder Brücke lauert ein parfümierter Cavaliere, und die Serenissima gefällt sich in ihrer ganzen schwülen Pracht und Verkommenheit. Morosina, ein Engel an Güte und von vollendetem Liebreiz, fiebert dem Tag entgegen, an dem man sie aus dem Mädchenpensionat der Seraphinerinnen ins Leben entlässt. Noch ahnt sie nichts von den Leimruten der Galanterie, von Heuchelei, Tücke, Liebesverrat, die hinter den malerischen Fassaden der Palazzi lauern.Ippolito Nievo (1831-1861) inszeniert in seinem Romanerstling eine Opera buffa vor der zauberhaften Kulisse des historischen Venedig. Mit souveräner Hand bringt er zur Aufführung, was fühlende Herzen höher schlagen lässt: große Gefühle, dramatische Wendungen, Grandezza und nicht zuletzt das mondäne Flair des 18. Jahrhunderts. Spielt das heitere moralische Lehrstück doch in jener Epoche, in der die Dogenrepublik - politisch wie kulturell längst im Niedergang begriffen - noch einmal eine späte Blüte dekadenter Prachtentfaltung erlebt. Die Geschichte der schönen Seele Morosina, eine Parabel auf die Macht der Liebe, kann als Prolog zu Nievos Hauptwerk 'Bekenntnisse eines Italieners' verstanden werden. In dieser Neuübersetzung, die mit dem deutsch-italienischen Übersetzerpreis 2010 ausgezeichnet wurde, liest sie sich ebenso vergnüglich.
Autorenportrait
Ippolito Nievo (1831-1861) ist neben Alessandro Manzoni der bedeutendste italienische Romancier des 19. Jahrhunderts. Seine 'Bekenntnisse' sind das Werk eines Frühgereiften. An der Seite Garibaldis eng in den Unabhängigkeitskampf seiner Heimat eingebunden, fand Nievo nach der ruhmreichen Befreiung Siziliens bei einem Schiffbruch den frühen Tod.
Leseprobe
Der Sprechsaal der Seraphinerinnen Am ersten Sonntag im Mai des Jahres 1749 gab es ein dichtes Gedränge von Gondeln an der Riva di San Pieretto: In der Abenddämmerung war der Kanal dann gänzlich verstopft, Ruder wirbelten durcheinander, Bug stieß an Bug, Rufe schollen von Boot zu Boot, kurzum, es herrschte ein Tumult, wie ihn nur die Bootsführer von Venedig zu veranstalten wissen. Es war der höchste Feiertag im Kloster der Seraphinerinnen, und da diese einem der besten Erziehungsinstitute für Töchter des Patriziats vorstanden, drängte sich die adlige Sippschaft in den Sprechsälen, und unter Angehörige, Vormünder und Freunde mengten sich auch etliche Schaulustige; was die ehrwürdigen Schwestern überhaupt nicht schreckte, ganz im Gegenteil, sie erfreuten sich am harmlosen Gepränge, das ihnen sehr geeignet schien, den Ruhm ihrer Schutzpatronin, der Heiligen teresa, zu mehren. Überdies weder durch Gelübde noch Klausur eingeengt, scheuten sie weltlichen prunk weniger als alle anderen Orden und waren über die verwickelten venezianischen Verhältnisse so gut unterrichtet, dass sie in der Konversation mit den Damen und Herren würdig bestehen konnten. Die Pförtnerin hatte also für diesen Abend ihren vertrauten Platz am Guckloch verlassen, und die beiden Torflügel der Pforte standen den Vorübergehenden einladend offen; die in ihrer klösterlichen Schlichtheit an sich schon schöne Vorhalle war über und über mit Damast und Blumen geschmückt; die brennenden Wachskerzen auf zweiarmigen silbernen Leuchtern, die Rosen-, Geranien- und Veilchensträuße hier und da und der letzte Widerschein des Sonnenuntergangs, der im Violett der Vorhänge noch einmal aufflammte, brachten jene in Farben und Düften einzigartige Stimmung hervor, die frommen Gemütern so lieb und vertraut ist. Aber wenn die Vorhalle kraft solch religiösen Zaubers etwas Klösterliches ausstrahlte, wirkte der Sprechsaal umso erstaunlicher, denn dort durchdrangen Heiligkeit der Klausur und weltliche Lebenslust einander auf eine Weise, dass man meinen konnte, es sei dies ein Fleckchen vom Paradies auf Erden. In der Mitte sah man in unterschiedlichsten prachtvollen Toiletten jüngere und ältere Damen der Aristokratie in Grüppchen beieinanderstehen; und dort, inmitten all des Glanzes von Juwelen und entblößten Busen, die braune Ordenstracht irgendeiner kleinen Nonne, allerdings aus feinstem Tuch und so geschnitten, dass die reizende Gestalt darin ganz vorzüglich zur Geltung kam; weiter drüben fein geputzte, parfümierte und gepuderte Kavaliere mit Mantel und Degen, wie es damals hieß; den nutzlosen Degen schräg hinter den Beinen baumelnd, den weißen Mantel über dem Arm und den kleinen Fächer in der Hand, stolzierten sie wie die Pfauen im anmutigen Schwarm der Jungfern umher; und da wurde im Schatten der Hüte und Fächer insgeheim gelacht, spitze Bemerkungen flogen hin und her, ebenso Blicke und Lächeln; doch alles völlig harmlos, denn hinter halb geschlossenen Lidern döste dort hinten eine ehrwürdige Klosterschwester. Überall ringsum an den Wänden saßen auf hohen Stühlen aus schwarzem Maroquinleder Mütter, Väter, Onkel und Vettern; ihnen zur Seite noch unreife, aber aufgeweckte und schwatzhafte Mädchen; Wesen, so schmächtig wie Schattengewächse, doch voller Feuer und Schalk auf dem Grund der Augen; junge Dinger mit scheuen Blicken, aber verstohlenem, wissendem Grinsen. Und zwischen alldem glitten schwatzend, lauschend, lächelnd, Kerzen putzend, Erfrischungen reichend acht oder neun Klosterschwestern unterschiedlichen Alters und Aussehens hin und her, allen aber lag der Ausdruck von Festtagsfreude auf dem Gesicht und die heitere Zufriedenheit klösterlichen Lebens. 'Nur zu, Marchesa, ein Schlückchen von diesem Rosolio Ein wahres Labsal in unserem Alter, Sie werden sehen! Exzellenz Carletto, Sie wollen doch nicht etwa dieses Konfekt verschmähen Wo ich es doch selbst zubereitet habe? Wie, Don Zefirino kommt heute nicht? Dabei hatten wir Eiermilch für ihn geschlagen! Ach, Contessa, sehen Sie nur