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Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2013

Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2013. Ansprachen aus Anlass der Verleihung, Friedenspreis des Deutschen Buchhandels - Ansprachen aus Anlass der Verleihung 2013

Erschienen am 01.11.2013
14,90 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783765732836
Sprache: Deutsch
Umfang: 120 S.
Format (T/L/B): 1 x 20.4 x 13.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Begründung der Jury Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2013 an Swetlana Alexijewitsch und ehrt damit die weißrussische Schriftstellerin, die die Lebenswelten ihrer Mitmenschen aus Weißrussland, Russland und der Ukraine nachzeichnet und in Demut und Großzügigkeit deren Leid und deren Leidenschaften Ausdruck verleiht. Mit den Berichten über Tschernobyl, über den sowjetischen Afghanistankrieg und über die unerfüllten Hoffnungen auf ein freiheitliches Land nach dem Auseinanderbrechen des Sowjetimperiums lässt sie in der tragischen Chronik der Menschen einen Grundstrom existentieller Enttäuschungen spürbar werden. Swetlana Alexijewitsch hat durch die Komposition ihrer Interviews, die auch die Grundlage ihres neuesten Buches 'Secondhand-Zeit' bilden, zu einer eigenen literarischen Gattung gefunden, zu einer chorischen Zeugenschaft. Als moralisches Gedächtnis hinterfragt sie, ob Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit nicht die besseren Alternativen wären.

Autorenportrait

Swetlana Alexijewitsch wird am 31. Mai 1948 im westukrainischen Stanislaw (heute Iwano-Frankowsk) als Tochter einer Ukrainerin und eines weißrussischen Soldaten geboren. Nach dessen Militärzeit kehren sie zurück nach Weißrussland, wo die Eltern in einem Dorf als Lehrer arbeiten. Bereits während ihrer Schulzeit verfasst Alexijewitsch einige Gedichte und Artikel für die Schulzeitung. Die zwei Jahre Arbeitsnachweis - Voraussetzung in der UdSSR für die Aufnahme eines Studiums - leistet sie 1965 als Erzieherin in einer Internatsschule, als Dorflehrerin und ab 1966 bei einer Lokalzeitung in Narowl (Gomel) ab. Anschließend nimmt sie an der Staatsuniversität Minsk ein Studium der Journalistik auf, das sie 1972 beendet. Im Anschluss an das Studium arbeitet Alexijewitsch bei einer Lokalzeitung in Beresa (Brest) sowie als Lehrerin an der dortigen Schule. Im Jahr darauf nimmt sie eine Stelle bei der 'Land-Zeitung' in Minsk an und entscheidet sich somit für eine rein journalistische Laufbahn. 1976 wechselt sie als Korrespondentin zum Literaturmagazin 'Neman' und wird kurz darauf Abteilungsleiterin für Publizistik. Im gleichen Jahr stellt sie ihr erstes Buch 'Ich habe das Dorf verlassen' fertig. Allerdings wird die Veröffentlichung wegen der darin enthaltenen Kritik an der rigiden Passpolitik der sowjetischen Regierung, die dafür sorgt, dass Dorfbewohner nicht in die Städte ziehen dürfen, unterbunden. Später lehnt Alexijewitsch selbst eine Veröffentlichung ab, weil sie das Buch als zu 'journalistisch' empfindet. In der folgenden Zeit versucht sich Alexijewitsch in weiteren literarischen Genres wie Kurzgeschichten, Essays und Reportagen. Der weißrussische Schriftsteller Ales Adamowitsch, der einen neuen literarischen Weg, den einer 'kollektiven Novelle', entwickelt, unterstützt sie bei ihren Bemühungen, eine literarische Methode zu finden, die 'eine größtmögliche Annäherung an das wahre Leben' erlaubt, um einen Chorus individueller Stimmen als Collage des tagtäglichen Lebens zu erstellen. Erstmals wendet Swetlana Alexijewitsch diese Methode in dem Buch 'Der Krieg hat kein weibliches Gesicht' an, das sie im Jahr 1983 vollendet. Mit Hilfe zahlreicher Interviews thematisiert sie hier das Schicksal sowjetischer Soldatinnen - der Frontkämpferinnen, Partisaninnen und Zivilangestellten - in und nach dem Zweiten Weltkrieg. Während der folgenden zweijährigen Auseinandersetzungen mit der Zensurbehörde über eine Veröffentlichung wird sie zudem angeklagt, die 'Ehre des Großen Vaterländischen Krieges' beschmutzt zu haben, und verliert aufgrund ihrer angeblichen 'antikommunistischen Haltung' ihre Anstellung. Erst 1985 (dt. 1987) kann es mit Beginn der Perestroika in der Sowjetunion gleichzeitig in Minsk und Moskau veröffentlicht werden. Das Buch, von dem bis heute allein in Russland mehr als 2 Millionen Exemplare verkauft wurden, wird von den Lesern und der Kritik begeistert aufgenommen. Gleichzeitig entstehen sowohl eine Theaterfassung des Buches und ein Dokumentarfilm, der mit der Silbernen Taube auf der Internationalen Dokumentarfilmwoche in Leipzig ausgezeichnet wird. Ihr folgendes Buch 'Die letzten Zeugen' (1985, dt. 1989) erscheint im gleichen Jahr, nachdem es wegen des fehlenden ideologischen Bekenntnisses der Autorin ebenfalls zuerst nicht veröffentlicht werden durfte. Alexijewitsch schildert hier neben der Sicht auf den Krieg durch die Augen von Kindern und Frauen auch die leidvollen Erfahrungen ihrer eigenen Familie im Zweiten Weltkrieg und während der Stalinzeit. In der Zeit der Perestroika der Regierung unter Michail Gorbatschow wird es für sie möglich, freier zu arbeiten. Sie realisiert zahlreiche Rundfunk- und Fernsehsendungen, arbeitet mit Filmregisseuren zusammen und verfasst Drehbücher und Theaterstücke, unter anderem für den bekannten Moskauer Theaterregisseur Anatoli Efros. Wie bei jedem ihrer Bücher arbeitet Alexijewitsch auch an dem folgenden Werk 'Zinkjungen' (1989, dt. 1992) mehrere Jahre und führt dabei mehr als fünfhundert Interviews mit Veteranen aus dem sowjetischen Afghanistankrieg und Müttern von gefallenen Soldaten, den so genannten Zinkjungen, deren Überreste in Zinksärgen überführt wurden. Auch wegen dieses Buches, mit dem sie für eine Entmythologisierung des zehn Jahre dauernden Krieges sorgt, steht sie ab 1992 mehrmals ins Minsk vor Gericht, ohne dass es aber zu einer Verurteilung kommt. Nach 'Im Banne des Todes' (1993, dt. 1994), das sich mit den Selbstmordversuchen derjenigen auseinandersetzt, die den Niedergang des sowjetischen Reiches nicht verkraften konnten, folgt ihr Werk über die Reaktorkatastrophe in der Ukraine. 'Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft' (1997) ist ein psychologisches Porträt der von der Katastrophe direkt betroffenen Menschen, ein 'ungeheuerliches Requiem der Klage und der Anklage' (Frankfurter Rundschau). Gerade wegen der erschütternden Berichte der Betroffenen darüber, wie sie mit den Folgen des Atomunfalls umgehen, wird dieses Buch für die Menschen weltweit zu einem Lehrstück im Umgang mit den Folgen einer Atomkatastrophe. Da ihre Bücher seit der Machtergreifung durch den jetzigen Präsidenten Alexander Lukaschenko 1994 in ihrem Heimatland nicht mehr verlegt und aus den Lehrplänen der Schulen gestrichen werden, kauft Alexijewitsch mit dem Preisgeld, das sie für den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 1998 erhält, russische Ausgaben des Tschernobyl-Buches und führt sie heimlich nach Weißrussland ein. Die Angriffe durch das weißrussische Regime verstärken sich, Swetlana Alexijewitsch wird unter anderem beschuldigt, für die CIA zu arbeiten. Ihr Telefon wird abgehört, öffentliche Auftritte werden ihr untersagt. Das Netzwerk 'International Cities of Refuge Network' (ICORN) gewährt ihr im Jahr 2000 Zuflucht. Sie zieht für einige Jahre nach Paris, anschließend erhält sie Stipendienaufenthalte unter anderem für Stockholm und Berlin, wo sie als Gast des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ihr jüngstes Buch fertig stellt. 2011 geht sie trotz ihrer oppositionellen Haltung gegenüber dem diktatorischen System in Weißrussland, das ihr ein freies Leben und Arbeiten erschwert, zurück nach Minsk. Für ihr Gesamtwerk, das sich mit dem Buch 'Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus' über die schwierige Suche nach einer neuen Identität während der gesellschaftlichen Umwälzungen der vergangenen Jahre wie eine fortlaufende Geschichte Russlands seit dem Zweiten Weltkrieg liest, hat Alexijewitsch ihre eigene literarische Gattung, den 'Roman der Stimmen' kontinuierlich ästhetisch weiterentwickelt. Indem sie die geführten Interviews für jedes Buch zu einem Gesamtbild komponiert, versucht sie herauszuarbeiten, 'wie viel Menschlichkeit in jedem einzelnen Menschen, den ich interviewt habe, zu finden ist und wie ich diese wiederum bei jedem beschützen kann'. Mit dieser Herangehensweise einer emotionalisierten Geschichtsschreibung ist Swetlana Alexijewitsch zum moralischen Gedächtnis für die Menschen in den ehemaligen sowjetischen Staaten geworden. Die Bücher von Swetlana Alexijewitsch sind in mittlerweile 35 Sprachen veröffentlicht und dienen als Vorlage für Theaterstücke, Hörspiele und Dokumentarfilme. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, zuletzt den polnischen Ryszard-Kapuciñski-Preis für literarische Reportagen (2011) und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2013).

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