Beschreibung
Kaiser Franz I. von Österreich (reg. 1792-1835) war nicht nur einer der letzten Verfechter des Absolutismus, sondern auch in ganz Europa bekannt für seine große Blumenliebe. In seiner langen Regierungszeit erlebten die sogenannten Kaisergärten in Wien ihre höchste Blüte, insbesondere der Burggarten und der Botanische Garten von Schönbrunn. Um seine besondere Leidenschaft für die Ewigkeit festzuhalten, engagierte er Matthias Schmutzer, den begabtesten Absolventen der Wiener Kunstakademie des Jahrgangs 1791, damit dieser seine Blumen in ihrer ganzen Pracht porträtierte. Daraus entstand ein florales Gesamtkunstwerk mit 1314 einzigartigen Aquarellen, die die Blumen jeweils in ihrer Originalgröße präsentieren. Bei besonders großen Exemplaren stellte Schmutzer Wurzel, Stengel und Blüten getrennt dar und erschuf eigenwillige, künstlerisch hochinteressante Kompositionen. Das Buch zeigt erstmalig eine Zusammenstellung der 100 prachtvollsten Blätter und fasziniert Grafiksammler wie Botaniker gleichermaßen.
Leseprobe
Während meiner Studienjahre in Wien hatte ich einen wunderschönen Weg von der Wohnung meiner Eltern zum Hauptgebäude der Universität, wo damals fast alle Lehrveranstaltungen für Botanik und Zoologie stattfanden; während der Vorlesungszeit ging ich ihn fast täglich. Er begann im Haus Margaretenstraße 5, führte mich durch die Operngasse, vorbei an der Staatsoper, die ich rechts liegen ließ, zum Danubius-Brunnen und dann in die Hanuschgasse. Dort öffnete sich das Tor zum Burggarten, früher auch k.k. Hofburggarten oder Kaisergarten genannt, einer der bedeutendsten spätklassizistischen Parkanlagen Wiens im landschaftlichen Stil mit altem Baumbestand und bemerkenswerten Denkmälern. Diesen Garten durchquerte ich in Richtung Corps de logis, dem südlichen Teil der Neuen Hofburg, bis sich nach einigen Schritten der Heldenplatz öffnet mit seinem unvergesslichen Rundblick auf Kunsthistorisches Museum, Heldentor, Naturhistorisches Museum, Parlament, Rathaus, Burgtheater, Minoritenkirche, Bundeskanzleramt und den Leopoldinischen Trakt der Hofburg, mit den Hügeln des Wienerwalds im Hintergrund. An den bekannten Reiterdenkmälern vorbei, die an Eugen Prinz von Savoyen und Erzherzog Carl, den Sieger gegen Napoleon in der Schlacht von Aspern, erinnern, betrat ich dann den Volksgarten, auch er eine wichtige spätklassizistische Gartenanlage mit streng geometrischer Struktur und einem reichen Bestand an Bauwerken, Wasserbecken, Brunnen und Denkmälern. Diesen Garten durchschritt ich ebenfalls und erreichte beim Burgtheater Wiens Prachtstraße, den Ring, dem ich nun bis zum Hauptgebäude der Universität folgte. Für mich bedeutete dieser Weg eine bezaubernde Mischung von Garten und Architektur, ein interessantes Amalgam aus Geschichte und Kultur. Gegangen bin ich diesen Weg bei allen Jahreszeiten und Wetterlagen, nicht aber zu allen Uhrzeiten, denn nachts verschließt man die Tore zu den mit massiven, meterhohen Gittern eingefriedeten Gärten. Das hat nicht nur praktische, sondern auch historische Gründe: Burggarten und Volksgarten waren bis 1918 Eigentum des kaiserlichen Hofs, allerdings hatte schon Kaiser Franz den Volksgarten im Jahre 1832 dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht, während der Burggarten bis zum Ende der Doppelmonarchie in privater Nutzung durch das Kaiserhaus verblieb. Gehe ich heute diesen Weg im Geiste wieder, so drängen sich vielfältige Erinnerungen auf: an die herbstlichen Rosen im Volksgarten, an dicke Novembernebel, welche das Licht aus den Laternen auf den Gittern dämpfen, an Krähenschwärme, die sich auf den verschneiten Rasenflächen des Heldenplatzes niederlassen, an die sich streckenden Knospen der Kastanienbäume im Vorfrühling, an die über und über blühenden Fliederbüsche, welche die Umrahmung der beiden monumentalen Reiterstatuen bilden, an die chinesischen Strauch-Päonien im Burggarten, an den betörenden Duft der Linden im Volksgarten, deren Blüten sich öffneten, wenn das Sommersemester zu Ende ging, und an die leuchtend roten Blüten des Blumenrohrs beim Denkmal für Elisabeth, Kaiserin von Österreich, ebenfalls im Volksgarten, deren Wurzelstöcke die Gärtner ausgruben, wenn sich die ersten Nachfröste ankündigten und das Wintersemester wieder begonnen hatte. Noch andere Bilder gibt es: den letzten Blick vom Lesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek auf den dämmrigen Burggarten, ehe die Vorhänge vorgezogen und die Benutzer wegen Schließung nach Hause geschickt werden, das Tropfen der Brunnen im Volksgarten frühmorgens nach einer durchtanzten Ballnacht, Gesprächsfetzen von Pensionisten, welche die alljährliche Rosenpracht im Volksgarten kommentieren, die welken Kränze von monarchistischen Vereinigungen am Denkmal für Kaiser Franz Joseph I. im Burggarten, die bunten Sonnenschirme in dem von einer Ligusterhecke umgebenen Garten der Meierei im Volksgarten. Auf diesem Weg lag ein prunkvolles Gebäude im Stil der Wiener Secession, das einen seltsamen Eindruck bei mir hinterließ. Es war in den Siebzigerjahren in baulicher Hi