Politische Normen in Kleve-Mark während des 17. Jahrhunderts
Argumentationsgeschichtliche und herrschaftstheoretische Zugänge zur politischen Kultur der frühen neuzeit, Frühneuzeit-Forschungen 12
Erschienen am
01.01.2005, 1. Auflage 2005
Beschreibung
Welche Normen prägten die politische Kultur - die alltäglichen, selbstverständlichen Vorstellungen von Herrschaft und Politik - eines mittelgroßen Territoriums im römisch-deutschen Reich des 17. Jahrhunderts? Diese Ausgangsfrage der vorliegenden Studie knüpft an die Debatte um den 'Absolutismus' an. Um sie zu beantworten, werden die Argumente untersucht, die Fürst und Landstände in den kleve-märkischen Steuerkonflikten des 17. Jahrhunderts vorbrachten. Gemeinwohl, Einigkeit, necessitas - insgesamt gut ein Dutzend Begriffe mit meist hohem normativen Gehalt wurden in diesen Auseinandersetzungen verwendet. Fürst und Stände gebrauchten diese Argumente zum Teil unterschiedlich und stritten um die Deutungshoheit von Begriffen: sichtbar werden auch Veränderungen im Ensemble der Argumente. Die Betrachtung der argumentativen Praxis in Kleve-Mark wird ergänzt um die Untersuchung gängiger Herrschaftslehren des 16./17. Jahrhunderts auf normative Begriffe hin. Sie weisen erhebliche Übereinstimmung mit den Argumenten auf, die in der kleve-märkischen Politik verwendet wurden; zugleich zeigt sich, daß die Stände in den obrigkeitszentrierten Herrschaftslehren zu kurz kamen. Über ihren Anteil an der deutschen politischen Kultur der frühen Neuzeit gibt die Untersuchung des politischen Alltags besseren Aufschluß. In diesem politischen Alltag in Kleve-Mark verband bis weit in das 17. Jahrhundert hinein Landesherr und Stände ein gemeinsamer Grundbestand politischer Normen. Diese Normen entsprachen einer politischen Kultur, die von personaler Herrschft, fürstlich-ständischer Gegenseitigkeit und Konsensstreben geprägt war. Trotz der politisch-militären Krisen, die Kleve-Mark von etwa 1570 bis um 1700 prägten, erwies sich die traditionelle Politikkultur als erstaunlich beständig; doch erlaubt der argumentationsgeschichtliche Befund es auch, einen langsamen Wandel differenziert nachzuvollziehen: Namentlich das Element der Gegenseitigkeit politischer Beziehung trat zugunsten der fürstlichen Prärogative zurück.