Beschreibung
Nach seinem Spiegel-Bestseller "Elbschlosskeller. Kein Roman" geht es nun weiter im rasanten Leben von Daniel Schmidt, dem Wirt des legendären Elbschlosskellers, Deutschlands härtester, aber auch sozialster Kneipe. In "Kiez. Kein Roman" erfahren Leser*innen des ersten Buches, was seit 2018 bei Daniel geschah - sein Rückfall in die Drogensucht, sein erfolgreicher Entzug, seine Existenzängste und sein bewundernswerter Aktivismus in der Pandemie -, während alle Neuleser*innen einsteigen können in den faszinierenden Kosmos des Daniel Schmidt, den Kiez-Philosophen, Mann mit Ecken und Kanten und Mensch mit einem ganz großen Herzen. Er nimmt uns mit auf eine Reise durch sein Viertel und zeigt Menschen, die in seinem Leben und für den Zusammenhalt auf dem Kiez eine große Rolle spielen. St. Pauli und die Charaktere, von denen er berichtet, sind so, wie der Autor selbst: schonungslos ehrlich, immer tolerant und weltoffen, skurril und verrückt, sowohl hart als auch liebevoll.
Autorenportrait
Als Daniel Schmidt 1984 geboren wurde, war sein Vater schon einige Jahre Wirt des Elbschlosskellers, der als härteste, aber auch sozialste Kneipe Hamburgs gilt. Seit seinem 18. Lebensjahr steht er selbst hinter der Theke der Kiez-Institution, die niemals ihre Türen schließt, bis auf eine Ausnahme: als der Lockdown kam. Da musste erst einmal ein Schloss in die Tür eingebaut werden. Sein erstes Buch, Elbschlosskeller, über das Leben rund um die St-Pauli-Kneipe avancierte zum Geheimtipp und Spiegel-Bestseller. Daniel Schmidt ist zudem Mitbegründer des Hilfsvereins Wer wenn nicht wir, in dem er und seine Mitstreiter sich um Obdachlose und Hilfsbedürftige vom Kiez kümmern.
Leseprobe
1/ Kiez Am Anfang war der Elbschlosskeller - Hamburger Berg 38, im Herzen von St. Pauli, mitten in Hamburg. Dieser wunderbar liebenswert schräge Ort war und ist seit zwei Generationen der Dreh- und Angelpunkt meiner Familie. Seine Geschichte ist von unserer nicht zu trennen. Wir leben vom Elbschlosskeller und mit ihm. Dabei ist unsere Kneipe längst das, was man weitläufig eine Institution nennt, und sie ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Unsere oberste Maxime lautet: Jeder Gast ist willkommen, wir schließen niemanden aus. Seit jetzt 70 Jahren finden im Elbschlosskeller die Heimatlosen und Abgehängten, all diejenigen, die nicht wissen, wo sie hinsollen, ein Zuhause. Hier sitzen Obdachlose neben Millionären, Prostituierte trinken mit Hausfrauen, Touristen schunkeln mit Luden. Und das rund um die Uhr und an jedem Tag im Jahr - Stopp - eine Einschränkung muss ich machen: Wenn uns nicht gerade ein Lockdown den Hahn zudreht! So wie im Frühjahr 2020. Um den Keller zum ersten Mal seit seiner Eröffnung 1952 zu schließen, war es aber schon nötig, dass die ganze Welt stillstand. Der Elbschlosskeller ist so einzigartig und bunt wie unser ganzes Viertel: St. Pauli, unser Kiez. Wer hier lebt, der weiß, worauf er sich einlässt, der will mittendrin sein im prallen Leben, in diesem Mikrokosmos, den es so nirgends sonst gibt. St. Pauli ist eine eigene Welt. Tagsüber geht es hier noch einigermaßen gesittet zu, fast wie in einem ganz normalen Wohnviertel, wenn man die Vielzahl an Sexshops und Pornokinos außen vorlässt und darüber hinwegsieht, dass es an vielen Ecken doch ein bisschen angeschmuddelt ist. Okay, was heißt schon "normal", aber ihr wisst, was ich meine. Es gibt hier ein bürgerliches Leben, mit Kindergärten und Schulen, Supermärkten, Straßencafés, Restaurants und Kirchen. Die unterschiedlichsten Milieus und Szenen existieren auf St. Pauli mit- und nebeneinander und profitieren - bestenfalls - voneinander. Sobald es aber dunkel wird, fängt der Kiez an zu glitzern, dann erwacht das andere St. Pauli, das sündige und verruchte, die Partymeile, dann kommen die Feierwütigen zum Tanzen, Trinken, Ficken. Ich selbst habe nie auf St. Pauli gewohnt, aber doch mein halbes Leben hier verbracht. Ich kenne fast jeden Pflasterstein und so ziemlich jede Ecke, und mich verbindet unendlich viel mit diesem Viertel, das so viele Gesichter hat. Da ist zuallererst die weltbekannte Reeperbahn mit all ihren Etablissements zu nennen, den Clubs, Shops, Bars, Theatern, Stundenhotels, von Chic bis Schmutz ist alles dabei. Legendär schmutzig war übrigens der Clochard auf der Reeperbahn, eine Kneipe, dem Elbschlosskeller nicht ganz unähnlich, leider ist der Laden seit der Pandemie geschlossen. Über dem Clochard wohnte mein Freund Jörg, der deutsch-türkische Punk. Dann gibt es die berühmte Davidwache, unser Polizeikommissariat, das seinen Namen der Davidstraße verdankt. Hier arbeitete, bis er in Rente ging - Thomas "Tessi" Tessmann und sorgte mit Herz und Courage für Recht und Ordnung auf St. Pauli. Wenige Meter von der Davidwache entfernt geht es in die Herbertstraße, auch die kennt man in der ganzen Republik. In dieser kleinen Gasse nämlich stellt sich die Crème de la Crème der Hamburger Prostituierten in Schaufenstern zur Schau und bietet ihre Dienste den vorbeikommenden Freiern an.Eine von ihnen kenne ich schon seit meiner Kindheit: Manuela Freitag, die dienstälteste Domina Hamburgs, die Grande Dame des Milieus und Freundin meiner Familie. Dann gibt es das legendäre Dragsloch in der Hein-Hoyer-Straße, sie ist wie der Hamburger Berg eine Seitenstraße der Reeperbahn. Im Dragsloch wohnen bzw. wohnten die geilsten Dragqueens, die ich je kennenlernen durfte. Zum Beispiel Veuve Noire oder Barbie Stupid, aber auch Eve Champagne, sie allerdings ist keine Drag, sondern Deutschlands beste Burlesque-Künstlerin. Geografisch gesehen sind es nur wenige Straßen und Plätze, aus denen unse