Beschreibung
Diese Studie erläutert die Zusammenhänge zwischen dem freiwilligen Engagement Jugendlicher und der Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben im Jugendalter.Dieses Thema ist wissenschaftlich kaum erforscht. Jugendliche ziehen aus ihrem Engagement einen Nutzen: sie lernen, erwerben Kompetenzen, erschließen sich neue Handlungsräume, erweitern ihre sozialen Netze u.v.m., so viel gilt als sicher. Die These, welche dieser Studie zugrunde liegt lautet deshalb, dass Jugendliche in einem freiwilligen Engagement Ressourcen erschließen und Kompetenzen erwerben, welche entwicklungsfördernd wirken können. Ob sich ein freiwilliges Engagement tatsächlich entwicklungsfördernd auswirkt, ist empirisch nicht belegt. Diese explorative Studie soll Zusammenhänge aufzeigen, einen Beitrag zur Erforschung der Thematik leisten und weitere Denkanstöße geben.Die altersspezifischen Entwicklungsaufgaben sind ein Konzept, welches nicht nur auf theoretischer Ebene interessant ist. Es bietet für Praktiker in der Jugendhilfe, Jugendarbeit und Schule eine Grundlage für die Zusammenarbeit mit Jugendlichen. Durch die Auseinandersetzung mit dem Konzept lässt sich ein Eindruck davon gewinnen, welche Entwicklungsleistungen Jugendliche erbringen, welche Unsicherheiten sie aushalten und warum sie Verhaltensweisen zeigen, die für Erwachsene nur schwer nachvollziehbar sind. Dementsprechend lassen sich mithilfe des Konzepts der altersspezifischen Entwicklungsaufgaben praktische Interventionen und neue Konzepte entwerfen. Und das ist das zweite Anliegen, welches mit dieser Studie verfolgt wird. Aufgrund der theoretischen Vorüberlegungen und den Erkenntnissen der explorativen Untersuchung, werden konzeptionelle Schlussfolgerungen für das Handlungsfeld der Jugendarbeit unterbreitet. Somit soll eine Grundlage für weitere Ideen und Diskussionen in der Praxis der Jugendarbeit und offenen Ganztagsschule geschaffen werden.
Autorenportrait
Christian Thiel, geb. 1983, Diplom Sozialarbeiter / Sozialpädagoge (FH). 2005 - 2009: Diplomstudium der Sozialen Arbeit an der Katholischen Hochschule NRW - Abteilung Paderborn. Seit 2009: Masterstudiengang Gesundheitsfördernde Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule NRW - Abteilung Paderborn. Seit 2001 ehrenamtlich in der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit tätig. Seit 2006 als Referent in der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung sowie Erlebnispädagogik tätig.Der Autor interessiert sich insbesondere für Konzepte und Theorien, welche einen Transfer in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zulassen. Im Studium beschäftige er sich deshalb mit dem Konzept der altersspezifischen Entwicklungsaufgaben nach Havighurst und der Stressforschung. In einem Kooperationsprojekt, an dem mehrere Institutionen beteiligt waren, setzte sich der Autor mit den Zusammenhängen zwischen einem freiwilligen Engagement Jugendlicher und der Bewältigung altersspezifischer Entwicklungsaufgaben im Jugendalter, auseinander. Die Erkenntnisse aus dem Projekt werden in dieser Studie dargestellt.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 3.3.3, Entwicklung der Anstrengungsbereitschaft und Schulfreude:Die Bildungssysteme sind darauf ausgelegt, Schüler entsprechend ihrer Leistungsergebnisse zu selektieren. Diese erfolgt durch die sich wiederholende schriftliche und mündliche Leistungserbringung, darauf bezogene Bewertungen usw. Um gute Leistungen zu erbringen, sind in der Schule [...] Merkmale wie Anpassung, Ausdauer, Rationalität, Selbstdisziplin, Anstrengungsbereitschaft, Sorgfalt, Strebsamkeit und Stetigkeit [] nötig. Etwas überspitzt werden mit Jugendlichen Verhaltensweisen und Eigenschaften wie Spontaneität, Impulsivität, Unausgeglichenheit, Flatterhaftigkeit, Desorganisiertheit, Stimmungslabilität, Gegenwartsorientierung, Lustorientierung, Emotionalität [] verbunden. Zudem entstehen durch die körperlichen, psychischen und kognitiven Änderungsprozesse eine Reihe neuer Erfahrungsmöglichkeiten. Die veränderte Wahrnehmung des Körpers, erste Kontakte mit dem anderen Geschlecht, Kontakte zu Gleichaltrigengruppen, die Veränderungen in den Beziehungen zu den Eltern etc. führen zu aktuellen Problemlagen, die von den Jugendlichen bewältigt werden müssen. Diese Aufgaben haben für die Jugendlichen eine hohe Priorität, sie verbrauchen Aufmerksamkeit und Zeit, welche nicht mehr für die Schule zur Verfügung steht.Die Inhalte und Themen, die zur Erreichung zukünftiger Abschlüsse in der Schule bearbeitet werden müssen, haben keinen Bezug zur aktuellen Lebenslage der Jugendlichen. Der Interessenkonflikt zwischen schulischen Anforderungen, jugendlichen Verhaltensweisen und der mangelnde Bezug zu aktuellen Entwicklungen [] macht das Dilemma der Schule aus und führt dazu, dass Schule zum lästigen, nervigen, zeitraubenden Störfaktor, der von dem, was eigentlich ansteht, was alles persönlich wichtig und bedeutsam erlebt wird, eher ablenkt und unangemessen viel Zeit und Energie kostet. Jugendliche gewichten in der Pubertät zwischen den schulischen und außerschulischen Interessen. Die außerschulischen Interessen treten dabei in den Vordergrund. Die geschilderten Entwicklungen haben Einfluss auf die Anstrengungsbereitschaft und die Schulfreude im Jungendalter. Während Kinder gerne lernen und neugierig sind, nimmt die Schulfreude bereits im Laufe der Kindheit und speziell in der Jugend ab. Und zwar nachweisbar von Jahr zu Jahr. Der Rückgang ist vom geschlechtsspezifisch und fächerspezifisch. Einen deutlichen Rückgang findet die Lernfreude beim Übergang vom 6. ins 7. Schuljahr. Auch die Anstrengungsbereitschaft der Jugendlichen findet einen kontinuierlichen Rückgang von der 6. bis zur 9. Klasse. Disziplinarisch auffälliges Verhalten steigt, gerade bei Jungen, an. Auch die Leistungsbereitschaft fällt mit dem Eintritt in die 7. Schulklasse. Eine ausgeprägte Leistungsbereitschaft ist insofern wichtig, dass sie auf einen risikoarmen Entwicklungspfad führt. Eine schwach ausgeprägte Leistungsbereitschaft kann zu einer risikoreichen Entwicklung führen. Zudem fühlen sich Jugendliche in der Schule weniger wohl. Bei einer Befragung von Fend sank die Zahl derjenigen Schüler, welche sich sehr oder ziemlich wohl fühlten zwischen dem 6. bis zum 10. Schuljahr von 69,6% auf 40,3% ab, die Zahl der Schüler, welche sich gar nicht oder wenig wohl fühlten stieg von 7,1% auf 19,6% an. In der Shell Studie 2002 wurden ähnliche Ergebnisse festgestellt. Etwa ein Drittel der befragten Schüler gehen gerne oder sehr gerne zur Schule, ein Fünftel ging ungern zur Schule. Die Abneigung der Hauptschüler gegen die Schule ist doppelt so hoch wie die der Gymnasiasten. Die Gründe für die abnehmende Schulfreude und die Leistungsbereitschaft sind der Widerspruch zwischen den starken Autonomieanstrengungen Jugendlicher und der reglementierenden sowie kontrollierenden Lernumgebung der Schule. Weitere Gründe sind ein Lebens- und Selbstwertkrisen, welche von Selbstwertzweifel, Versagensängsten, Konzentrationsbeschwerden und Lernblockaden begleitet werden sowie belastende Biographierfahrungen, welche die Fähigkeit einschränken, angemessen mit schulischen Herausforderungen umzugehen.
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