Beschreibung
Für das Verständnis zeitgenössischer Literatur ist es erforderlich, auch die Klassiker der jeweiligen Literatur zu kennen. Deshalb haben wir uns vorgenommen, dem deutschsprachigen Publikum neben herausragenden Gegenwartsautorinnen und -autoren aus dem Kaukasus auch eine Auswahl von Werken klassischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus dieser Region zu präsentieren. Die Veröffentlichung des Romans Solomon Isakitsch Medschghanuaschwili von Lawrenti Ardasiani und bedeutender Werke von Autorinnen und Autoren wie Egnate Ninoschwili, Ekaterine Gabaschwili, Tschola Lomtatidse, Niko Lomouri und Micheil Dschawachischwili legen den Grundstein für unser Bemühen, nicht allein der georgischen, sondern der gesamten kaukasischen Literatur, die wir für bahnbrechend halten, eine Wohnstatt im deutschen Sprachraum zu bieten. Wir hoffen, mit diesen literarischen Wurzeln großer kaukasischer Literaturen insbesondere dem Verständnis unserer kaukasischen Gegenwartsautorinnen und -autoren den Weg zu bereiten. Uli Rothfuss und Traian Pop (Herausgeber der Kaukasischen Bibliothek) Lawrenti Ardasianis Tiflis vermittelt ein anschauliches Bild des urbanen Raums, wie er in der Literatur des 19. Jahrhunderts dargestellt wird. Der Tataren-Majdan als Handelsplatz vereint sämtliche - geradezu modellhaften - Charakteristika des städtischen Raums von Tiflis: Buntheit und Viel- falt, Käufer und Verkäufer, Bauern und Stadtbewohner, Fremde und Einheimische, Arme und Reiche, Gewinn und Verlust sowie - nicht zuletzt - das Glücksspiel (.) Bela Tsipuria
Autorenportrait
Lawrenti Ardasiani (1815-1870) war ein bedeutender Vertreter des georgischen Sozialen Romans im 19. Jahrhundert. Er war einer der ersten Schriftsteller, die die Alltagssprache programmatisch in der Prosa einsetzten. Zunächst wurde Ardasiani 1858 als Übersetzer von Shakespeares Hamlet bekannt. 1861 erschien der erste Roman: Solomon Isakitsch Medshghanuaschwili, in dem anhand der Geschichte eines in ärmlichsten Verhältnissen auf die Welt gekommen Mannes, der zu einem der reichsten Händler des Landes wurde, die von Unbarmherzigkeit und Grausamkeit geprägte Gesellschaft jener Zeit dargestellt wird. Der Roman hat nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt und wird bis heute vielfach gelesen. Das Erfolgsrezept des Helden, zu dem er durch eigene Erfahrungen gekommen war: Erkenne die Schwäche eines Mannes, nutze diese für dich und zieh ihm den Teppich so unter den Füßen weg, dass er davon nicht einmal etwas merkt. Überfalle ihn in der Not und nimm ihn richtig aus. Sei unbarmherzig. Mehr ist nicht nötig, um glücklich zu werden. Lawrenti Ardasiani schrieb zwar noch weitere Romane und veröffentlichte kritisch-polemische Artikel sowie weitere Übersetzungen; seinen Platz in der klassischen georgischen Literatur jedoch sicherte er sich mit Solomon Isakitsch Medshghanuaschwili.