Beschreibung
Die Konflikte der Zukunft haben uns eingeholt: am 11. September 2001 in New York, zweieinhalb Jahre später in Madrid, immer wieder auf dem Balkan, fast täglich im Nahen Osten. Die Angst vor unüberlegten und unkalkulierbaren Aktionen der Bush-Regierung ist unter den Europäern inzwischen fast ebenso groß wie die Angst vor Anschlägen islamischer Terroristen. Die Welt hat sich in den letzten paar Jahren dramatisch verändert. Wie konnte es dazu kommen? Und was müssen wir tun, um unser politisches und ökonomisches Überleben auch im 21. Jahrhundert zu sichern? Ein Blick auf die Mächte, welche die Geschichte des 21. Jahrhunderts bestimmen werden, lässt nichts Gutes ahnen. Europa ist gegenwärtig nicht in der Lage, seine Interessen zu bündeln und mit starker Stimme zu vertreten; die EU-Osterweiterung wird die ohnehin ungefestigten Strukturen der EU weiter aufweichen. Die USA, in denen sich Weltmachtgelüste und Sendungsbewusstsein auf unheilvolle Weise verknüpfen, sind dabei, ihre Macht zu überdehnen. Russland bleibt zwar schon auf Grund seines nuklearen Potenzials und seiner immensen Bodenschätze eine Weltmacht, ist aber wohl noch lange vor allem mit sich selbst beschäftigt. Einzig China prosperiert, und auf Peking richten sich denn auch viele, vorerst allerdings rein ökonomische Hoffnungen. Helmut Schmidt eröffnet sein Buch mit einem Worst-case-Szenario: Nuklearwaffen im Besitz von Schwellenländern, Anschläge großen Stils in unseren Metropolen, wachsender Bevölkerungsdruck in der südlichen Hemisphäre, ein weiteres Auseinanderklaffen der Schere zwischen Wohlstand und Armut das sind die Probleme, auf die unsere Politik eine Antwort geben muss. Die entscheidende Frage aber lautet: Was wird aus den USA? Manche halten den Irak-Krieg inzwischen für den Anfang vom Ende der uneingeschränkten amerikanischen Vorherrschaft. Aber wäre ein Rückzug der Hegemonialmacht von den Brandherden der Welt wirklich wünschenswert? Was können und was sollen die Europäer tun, um die Entwicklung zu beeinflussen? Schließlich weist Helmut Schmidt auf die Möglichkeiten hin, die sich Deutschland im 21. Jahrhundert eröffnen.
Autorenportrait
Helmut Schmidt, geboren 1918 in Hamburg, war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und seit 1983 Mitherausgeber der ZEIT. Er gehörte zu den bekanntesten und beliebtesten Politikern und Publizisten in Deutschland, seine Bücher wurden allesamt zu Bestsellern, u.a. »Menschen und Mächte« (1987), »Kindheit und Jugend unter Hitler« (1992), »Die Mächte der Zukunft« (2004), »Außer Dienst« (2008), »Vertiefungen. Neue Beiträge zum Verständnis unserer Welt« (2010) sowie »Ein letzter Besuch. Begegnungen mit der Weltmacht China« (2013). Er starb im November 2015 im Alter von 96 Jahren.
Leseprobe
Vorrede Viele Ereignisse drau?n in der Welt sind f?r uns nur schwer zu bewerten. Was bedeuten sie? Welche Folgen k?nnen sie bewirken? Werden die Folgen auch uns betreffen? Die hier folgenden Ausf?hrungen sind ein Versuch, einen skizzenhaften ?erblick zu geben ?ber die Faktoren, welche in den n?sten beiden Jahrzehnten den Fortgang der Weltgeschichte beeinflussen werden. Historiker, ?onomen, Politologen und Wissenschaftler anderer Disziplinen k?nnten zwar ein viel genaueres und vollst?igeres Panorama entwerfen. Sie w?rden daf?r aber ein dickes Buch schreiben m?ssen. Und w?n doch mit ihren Prognosen in derselben Situation wie ich, denn Prognosen k?nnen eintreffen oder auch nicht. Mein Szenario mu?zwangsl?ig vereinfachen. Es begn?gt sich damit, dem politisch interessierten Leser die heute wichtigen Zusammenh?e aus europ?cher Sicht zu beschreiben und ihm die wesentlichen Interessen und Tendenzen in der Welt von morgen zu skizzieren. Es geht um Spielr?e und Alternativen f?r k?nftige Entscheidungen, aber auch um m?gliche Konflikte. Die Vereinigten Staaten von Amerika bilden dabei unvermeidlich einen Schwerpunkt. Dabei st?tze ich mich dankbar auf einen sich ?ber viele Jahre erstreckenden Gedankenaustausch mit Freunden und Kollegen in vielen L?ern, auch im eigenen Land. Besonderen Dank f?r Anregungen, Kritik und Hilfen schulde ich Stefan Collignon, Thomas Karlauf, Birgit Kr?ger-Penski, Rosemarie Niemeier, Armin Rolfink, Susanne Schmidt, Peter Schulz, Theo Sommer, Fritz Stern und Walther St?tzle. Zwar flie? einiges an politischer Lebenserfahrung in diese Skizze ein. Gleichwohl reicht mein Blickfeld kaum ?ber die beiden n?sten Jahrzehnte hinaus. Schon morgen oder ?bermorgen kann die Welt ganz anders aussehen. Helmut Schmidt, Hamburg, im Juli 2004 WAS WIR VON DER ZUKUNFT WISSEN K?NEN ? UND WAS NICHT Ein d?steres Szenario ?Das blutigste aller Jahrhunderte haben wir hinter uns. Der Untergang des Abendlandes hat nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Die europ?chen Diktaturen sind an ihr Ende gekommen. Die Grundrechte des Menschen gewinnen an Geltung. Der Wille zur Demokratie breitet sich aus. Und seit f?nfzig Jahren w?st langsam die Europ?che Union heran.? So schrieb ich vor vier Jahren im Vorwort zu meinem Buch ?Die Selbstbehauptung Europas?. Am Ende wagte ich einige Prognosen; eine davon betraf die muslimische Welt: ?Gute Nachbarschaft mit dem Islam wird im Laufe des neuen Jahrhunderts zu einer der Bedingungen f?r die Selbstbehauptung Europas werden. Es k?nnte sogar dahin kommen, da?der Frieden. davon abh?t.? Das Vorwort war auf den 1. September 2000 datiert. Wurde ich durch die furchtbaren Ereignisse ein Jahr sp?r best?gt? Oder hatte ich mich get?cht? War ich zu optimistisch gewesen? Mit den Anschl?n vom 11. September 2001 und der amerikanischen Reaktion bekam meine Voraussage jedenfalls eine neue Dimension. Kein Ereignis der letzten Jahre hat unser Bild von der Welt in so dramatischer Weise ver?ert. Ein von den meisten westlichen Regierungen bis dahin weitgehend vernachl?igtes Thema r?ckte pl?tzlich in den Mittelpunkt des aktuellen Weltgeschehens. Wer es heute unternimmt, die Tendenzen, die gegenw?ig in der Welt sichtbar sind, in die n?re Zukunft weiterzuf?hren, mu?wohl mit der M?glichkeit eines clash of civilizations rechnen. Ein die Welt ersch?tternder Zusammenprall zwischen dem Islam und dem Westen ist tats?lich denkbar geworden. Die katholische Reconquista auf der Iberischen Halbinsel und die Niederlagen des Osmanischen Reiches vor den Toren von Wien hatten den auf Europa gerichteten Vormarsch des Islam f?r Jahrhunderte beendet. Heute leben viele Millionen muslimischer Gl?iger in Europa; der Islam reicht von Ru?and ?ber Zentralasien bis nach Indonesien, von Pakistan ?ber den Mittleren Osten bis nach Schwarzafrika. Ein F?nftel der heutigen Weltbev?lkerung sind Muslime. Fast ein Drittel aller Staaten der Welt ist muslimisch gepr?. Nur wenige, n?ich einige kleine ?staaten, sind wohlhabend; die gro? Mehrzahl de Leseprobe