Beschreibung
Arno Borsts Leben mit der Geschichte, von den familiengeschichtlichen Funden des Halbwüchsigen bis zu den Editionen, in denen er die vielschichtigen Überlieferungen mittelalterlichen Naturwissens zugänglich machte. Es ist die Selbstdeutung eines Forschers, dessen Neugier die Beschränktheiten seines Fachs souverän überstieg. Ein eigenwilliger Weg im Kontext der europäischen Geschichtswissenschaft seit 1950, der den Historikern eine Schlüsselrolle zuweist: 'Was sie leisten können und müssen, ist lebenswichtig genug: dem vielstimmigen Gespräch der vor ihnen Gestorbenen zuzuhören und es für die nach ihnen Geborenen aufzuzeichnen.'
Autorenportrait
Arno Borst (1925-2007) war neben Huizinga, Marc Bloch und Duby einer der wirkungsmächtigsten europäischen Historiker des 20. Jahrhunderts. Der gebürtige Franke studierte in Göttingen und München, habilitierte sich in Münster und wurde nach einer ersten Professur in Erlangen 1968 an die neu gegründete Reformuniversität Konstanz auf den Lehrstuhl für mittlere und neuere Geschichte berufen. Als die baden-württembergische Landesregierung die zugesagte Reform abblockte, trat er als Prorektor zurück. Seine stark besuchten öffentlichen Vorlesungen über das Mittelalter am Bodensee halfen der jungen Universität zu einer Verankerung in der Region. Für seine Studenten blieb er bis 1987 ein begeisternder und verehrter Lehrer. Arno Borst gelang ein wohl einmaliger Erfolg: Mit Büchern wie »Lebensformen im Mittelalter« (dt. Auflage weit über 100 000, in mehrere Sprachen übersetzt) interessierte er ein breites Lesepublikum für geschichtliches Denken. Mit historischen Einzelstudien (»Die Katharer«, »Der Turmbau zu Babel«) errang er die höchsten Auszeichnungen seines Fachs. Zugleich wurde seine Sprachkraft weit jenseits der Mediävistik ausgezeichnet (Sigmund-Freud-Preis für Wissenschaftsprosa, Brüder-Grimm-Preis). Von 1983 an war er Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica, ab 1996 leitete er zudem die von ihm eingerichtete Arno-Borst-Stiftung zur Förderung der mediävistischen Geschichtswissenschaften: In diese Stiftung investierte er große Teile des Preisgelds, das ihm 1996 durch den in Rom überreichten internationalen Balzan-Preis zugekommen war. Mit 62 Jahren wurde Arno Borst durch eine Stiftungsprofessur von universitären Pflichten befreit. Er konnte sich so einer Grundlagenforschung zuwenden, die er mit der ihm eigentümlichen Arbeitsleistung bis in sein 80. Lebensjahr fortführte. Neben zahlreichen Aufsätzen entstanden mehr als zehn Bücher (mit über 7000 Seiten), darunter für ein breites Publikum »Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas« (Wagenbach Verlag, übersetzt ins Englische, Italienische und Türkische) und für die Zunft sein wegweisendes Werk »Der Karolingische Reichskalender und seine Überlieferung bis ins 12. Jahrhundert«.