Beschreibung
Hildi erbt ein schwarzes Loch. Ganz selbstverständlich wird es in ihrem Badezimmer installiert, wo es ein bedrohliches Gravitationsfeld erzeugt. Der Allesfresser aus dem Kosmos, eine in der Gentrifizierung verschwindende, bassgesättigte Clubkultur und urbane Alltagskünstler, die aus Betonritzen Löwenzahn zupfen, um ihn als Bioware auf dem Wochenmarkt feilzubieten - in Chrizzi Heinens erzählerischem Universum begegnen sich Melancholie und Aberwitz. Im Zentrum dieses schrägen Großstadtpanoramas stehen Hildi, Gregor und Bodo - drei mit Sympathie gezeichnete Freunde, die einander umkreisen und sich in ihren ganz eigenen Gravitationsfeldern anziehen und auch wieder abstoßen. Gemeinsam kämpfen sie gegen Verlust und Monotonie in unseren Städten und leben einen Traum, dessen größte Gefahr die Wirklichkeit ist.
Autorenportrait
Chrizzi Heinen [Christina M. Heinen] wurde in Köln geboren und studierte dort Musikwissenschaften, Philosophie und Musiktherapie. 2012 promovierte sie mit einer stadtanthropologischen Forschung über Berliner Experimental- und Musikkulturen (Dr. phil.), die 2013 im transcript Verlag erschien. 2019 erschien ihr erster Roman "Am schwarzen Loch", für den sie 2020 mit dem Förderpreis komische Literatur der Stiftung Brückner-Kühner ausgezeichnet wurde. Neben ihrem Schreiben beschäftigt sie sich mit der künstlerischen Arbeit an Zeichnungen, kuratiert Ausstellungen und produziert Hörspiele, für die sie mehrfach ausgezeicnet wurde.
Leseprobe
'Vor meinem Hauseingang sehe ich schon drei Männer mit Gasmasken stehen, zwei dieser mundlosen Roboter tragen flaschengrüne Overalls, ähnlich wie die von Zoowärtern. Ich kette mein Rad an den schlanken Haselbaum vor meinem Haus und gehe auf die Männer zu. Der dritte trägt einen schwarzen Anzug. 'Grüezi, da sind Sie ja endlich. Wir müssen heute noch weiter', gibt jener wie durch ein Dosentelefon mit Schweizer Akzent zu verstehen. Er streckt mir seine Hand entgegen: 'Ich bin Peter Wyss, der Versicherungsleiter der ZHI, Zurich Hole Insurance. Wir versichern Löcher. Und das sind Günther und Norbert, die Installateure. Wir warten scho seit mehr als e Stund auf Sie!' 'Ich war schwimmen!' Ich greife nacheinander in ihre weich gepolsterten, schwarzen Lederhandschuhe. 'Schwarze Löcher reagieren recht sensibel, vor allem auf Wasser', erklärt mir einer der Installateure. Sie sind beide keine Schweizer, sie arbeiten für die deutsche Dependance des Unternehmens und sind hierzulande für den Einbau der schwarzen Löcher zuständig. Neben ihnen parkt ein seltsam hässliches Gefährt, das so aussieht, als hätte man eine Müllhalde darauf ausgekippt. Fragend deute ich auf circa dreihundert Kronkorken, die sich wie Bastelmaterial auf der Motorhaube ausgebreitet haben. 'Das ist wegens Löchli im Outo', sagt Wyss und reicht mir eine grün-gelb gestreifte Gasmaske. 'Ich würde sagen, Sie ziehen erst mal die hier an.'