Wenn man jung ist und ein Mann, dann kann es sein, dass man ein Schulterzucker, ein Sitzer ist. Zumindest, wenn man zu einer Generation gehört, die nicht so recht weiß, wie man nun eigentlich leben soll. Woher und von wem sollte man das auch wissen, wenn man, wie Karl ''Charlie'' Kolostrum, Teil einer überspannten Familie ist und eine Mutter hat, deren Neigung zum Alkohol und zu promiskuitivem Sex schon früh den Vater verjagte. Wenn man also, kurz gesagt, sich selbst überlassen und nur mit der eigenen Person und deren Wirkung beschäftigt ist, dann braucht man auch eigene Lebensregeln, und zwar in so ziemlich jeder Hinsicht.
Da wäre zunächst natürlich die Liebe, denn man braucht eine Freundin, um überhaupt zur Geltung zu kommen. Auch den Intellekt sollte man nicht unterschätzen, hier kommt die Kunst des Scheins vor allem Sein. Unabdingbar ist außerdem die Frage nach den finanziellen Ressourcen, schließlich wird die 97jährige Tante, die einen immer so großzügig versorgt, nicht ewig leben. Mit dem Reifezeugnis in Händen wird''s allerdings erst richtig kompliziert, vor allem deshalb, weil man noch immer die meiste Zeit sitzt: als Student der Kunstgeschichte unter lauter schönen Frauen, als Taxifahrer im Auto, um Geld zu verdienen, vor dem Computer des Mitbewohners, um zu spielen, und am Küchentisch der WG, um zu essen.
Doch merke: Auch als Sitzer lernt man irgendwann, wie man zu leben hat in einer Gesellschaft, die keine Helden mehr kennt. Und deshalb geschieht etwas mit Charlie Kolostrum, das sein Leben verändern wird.
Thomas Glavinic wurde 1972 in Graz geboren und arbeitet seit 1991 als freier Schriftsteller. 1998 erschien sein viel beachtetes Debüt >Carl Haffners Liebe zum Unentschieden<, das vom >Daily Telegraph< zum Buch des Jahres gewählt wurde. 2001 folgte der Roman >Der Kameramörder<, für den Glavinic mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Weitere Romane folgten. Thomas Glavinics Werke sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien >Unterwegs im Namen des Herrn<. Er lebt in Wien.