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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453620339
Sprache: Deutsch
Umfang: 368 S., 16 Seiten s/w-Bildteil
Format (T/L/B): 2.5 x 18.5 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

"Eine sehr persönliche Biografie." Der Tagesspiegel "Journalistisch brilliant und spannend geschrieben." Passauer Neue Presse "… Bilder eines bewegten Lebens, und die sind lesenswert, mitunter auch originell." FAZ

Leseprobe

Es war ein Freitagnachmittag im Frühjahr 1983. Obwohl es im April in Hamburg für gewöhnlich regnet, schien an diesem Tag die Sonne. Mein Kollege Erwin Brunner und ich wären gern nach Hause gegangen, aber freitags um 16.00 Uhr wurde damals immer die Hauptkonferenz der Zeit abgehalten. So mussten wir bleiben und warten. Wir hatten vor, einen Artikel, eines jener umfangreichen 'Dossiers', über atomwaffenfreie Zonen zu schreiben. Die Einrichtung solcher Zonen war seit dem Zweiten Weltkrieg von namhaften Außen- und Sicherheitspolitikern immer wieder vorgeschlagen worden. Sie hofften, ganze Staaten auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs zu entnuklearisieren und dadurch das Risiko eines Atomkriegs zu verringern. Aber jetzt, zu Beginn der achtziger Jahre, war von einer anderen Art 'atomwaffenfreier Zone' die Rede. Pfarreien, kleine Gemeinden, gelegentlich die eine oder andere Großstadt erklärten sich für 'atomwaffenfrei'. Dadurch wurde natürlich nicht ein einziger atomarer Sprengkopf von einer Rakete abmontiert, nicht die Stationierung einer einzigen Cruise Missile verhindert. Wenn jemand seinen Sprengel für atomwaffenfrei erklärte, dann war das nichts anderes als ein Ausdruck von Protest. Allerdings war die Protestbewegung groß in jenen Jahren. Sie richtete sich gegen den so genannten Doppelbeschluss der Nato. Das nordatlantische Militärbündnis hielt damals noch fest zusammen. Es hatte eine klare Zielsetzung, nämlich einen Angriff durch die Sowjetunion und ihre im Warschauer Pakt organisierten Vasallenstaaten zu verhindern und abzuwehren. Es war Helmut Schmidt, der ein 'Fenster der Verwundbarkeit' entdeckt hatte. Die Sowjets rüsteten mit Mittelstreckenraketen des Typs SS-20 mächtig auf. Diese Raketen bedrohten vor allem Westdeutschland. Und der deutsche Bundeskanzler befürchtete, nach einem Angriff auf die Bundesrepublik würden die Amerikaner womöglich nicht bereit sein, ihre Bündnispflicht zu erfüllen und ihrerseits mit Interkontinentalraketen gegen die Sowjets zurückzuschlagen. Denn, so argumentierte Schmidt, die Amerikaner dürften wenig geneigt sein, ihre Großstädte zu opfern, wenn eine deutsche Stadt zerbombt wird. Also führte er den Doppelbeschluss herbei. Es sollte zum einen mit der Sowjetunion verhandelt werden, damit diese ihre SS-20 zurückzöge. Und es sollte zum anderen der Westen seinerseits Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper nahe der Grenze aufstellen, um den Osten zum Einlenken zu zwingen. Der Protest richtete sich vor allem gegen diesen zweiten Teil des Doppelbeschlusses. Die Gegner meinten, der Westen solle nur verhandeln, aber auf eine eigene Nachrüstung verzichten, sonst drohe ein neuer Rüstungswettlauf. Später im Verlauf des Jahres 1983 blockierten sie den amerikanischen Armeestützpunkt im schwäbischen Mutlangen, wo die ersten Pershing-2-Raketen aufgestellt werden sollten. Zu den Blockierern, die nicht wichen, sondern sich von der Polizei wegtragen ließen, zählte auch Otto Schily. Knapp zwanzig Jahre später verurteilte er, inzwischen deutscher Innenminister mit einem Habitus von Unnachgiebigkeit, solche Aktionen aufs Schärfste. Damals wähnte er sich im Recht, sah sich als Teil einer moralisch legitimierten Mehrheit. Der Protest zerriss die Bundesrepublik. Es kam zu den größten Demonstrationen ihrer Geschichte. Besonders schmerzlich für Bundeskanzler Schmidt war die Tatsache, dass seine eigene Partei, die SPD, mehrheitlich auf der Seite der Nachrüstungsgegner stand. 1983 war er allerdings schon nicht mehr im Amt. Die von ihm geführte rot-gelbe Koalition zerbrach am 17. September 1982, als die vier der FDP angehörenden Minister ihren Rücktritt erklärten. In dem halben Jahr zwischen September 1982 und April 1983 war vom Altkanzler nicht allzu viel zu hören. Er hielt einige gut bezahlte Reden, beteiligte sich aber nur wenig an dem Wahlkampf, den sein Nachfolger Helmut Kohl durch die auf den 6. März 1983 vorgezogene Neuwahl herausgefordert hatte. Vielmehr schlüpfte Schmidt in die Rolle des Elder Statesman. I Leseprobe
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