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Nebel im August

Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa, cbt

Erschienen am 27.02.2008
Auch erhältlich als:
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783570304754
Sprache: Deutsch
Umfang: 350 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 18.3 x 12.5 cm
Lesealter: 13-99 J.
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Wer misst den Wert von Leben? Wenn ich ihn nicht euthanasiert hätte, dann wäre er halt in eine andere Anstalt gekommen. Dr. Valentin Faltlhauser, der Ernst Lossas Ermordung angeordnet hat, bei der Gerichtsverhandlung.Deutschland, 1933: Ernst Lossa stammt aus einer Familie von Jenischen, Zigeuner, wie man damals sagte. Er gilt als schwieriges Kind, wird von Heim zu Heim geschoben, bis er schließlich - obgleich geistig völlig gesund - in die psychiatrische Anstalt in Kaufbeuren eingewiesen wird. Hier nimmt sein Leben die letzte, schreckliche Wendung: In der Nacht zum 9. August 1944 bekommt er die Todesspritze verabreicht. Ernst Lossa wird mit dem Stempel asozialer Psychopath als unwertes Leben aus dem Weg geräumt. Der Journalist Robert Domes erzählt aus der Perspektive des Jungen mit beeindruckender Intensität. Er macht die Denkstrukturen des nationalsozialistischen Regimes sichtbar und berichtet von der damit einhergehenden Ideologie der Euthanasie. Eine wahre Geschichte Gründlich recherchiert, einzigartig berührend erzählt

Autorenportrait

Robert Domes, geboren 1961 im bayerischen Ichenhausen, studierte Politik und Kommunikationswissenschaften in München. Er arbeitete jahrelang als Redakteur bei der Allgäuer Zeitung, zuletzt als Leiter der Lokalredaktion in Kaufbeuren, bevor er sich 2002 als Journalist und Autor selbstständig machte. 'Nebel im August', sein erstes Jugendbuch über ein "Euthanasie"-Opfer im Dritten Reich, wurde auf Anhieb ein großer Erfolg. Inzwischen gibt es davon eine hochkarätige, vielfach ausgezeichnete Verfilmung von Kai Wessel mit Ivo Pietzcker in der Hauptrolle.

Leseprobe

Vorwort von Dr. Michael von Cranach (ehemaliger Leiter des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren) Ernst Lossa begleitet mich seit siebenundzwanzig Jahren. Ich wei?nicht, ob ich ihn als Freund bezeichnen darf, ich w?rde es mir sehr w?nschen, kann mir aber auch vorstellen, dass er, vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen, die Freundschaft mit einem Psychiater strikt ablehnen w?rde. Das m?sste ich akzeptieren. Die Umst?e unseres "Kennenlernens" haben eine lange Vorgeschichte. In der Nazizeit haben auf Hitlers pers?nlichen Erlass zwischen 1939 und 1945 ?zte und ihre Mithelfer ungef? 200 000 psychisch kranke Menschen get?tet. Sie haben sie f?r "lebensunwert" erkl?, entw?rdigt, gequ? und ermordet. Die T?r waren nicht einige wenige, sondern die Mehrheit, die Elite der deutschen Psychiater. Nach Ende des Krieges haben die Alliierten diese Ereignisse sehr gr?ndlich untersucht, insbesondere die Amerikaner, die Beweismaterial f?r die N?rnberger ?zteprozesse sammelten. Tats?lich wurden dann 1947 in N?rnberg zwei der Hauptverantwortlichen dieser Euthanasieaktion zum Tode verurteilt und geh?t. Doch danach verlor sich das Interesse an weiterer Aufkl?ng. Die Mehrheit der T?r und Mitl?er blieb unbehelligt, war weiterhin ?tlich t?g, es entstand keine Z?r, kein Neuanfang, die schlimme Vergangenheit wurde verdr?t und verleugnet. Andererseits hatte die Erfahrung des Krieges das Menschenbild unserer Gesellschaft ver?ert; das Wohl, die Rechte und auch die Verantwortung des Einzelnen bekamen einen hohen Stellenwert; individuelle Freiheit und Menschenrechte wurden die Grundwerte der neuen Demokratie. Diese Gedanken jedoch erreichten die abseits gelegenen, ver- und geschlossenen Gro?nstalten, in denen damals psychisch kranke Menschen behandelt wurden, sehr sp? Erst 1975 besch?igte sich der Deutsche Bundestag mit den "brutalen und menschenverachtenden Realit?n" in den psychiatrischen Krankenh?ern, und man beschloss, eine Psychiatriereform in die Wege zu leiten mit dem Ziel der Abschaffung der Gro?rankenh?er und der Verlagerung der Behandlung und der Hilfen in das Lebensumfeld der Betroffenen. Dieser neue Wind hat damals viele von uns jungen ?zten befl?gelt, in die Anstalten zu gehen und die Reform in Gang zu setzen. Als ich im Mai 1980 mit diesem inneren Auftrag die Leitung einer derartigen Klinik in Kaufbeuren ?bernahm, wurde mir nach wenigen Wochen bewusst, dass die Ver?erung nur gelingen kann, wenn wir uns der Vergangenheit stellen, hinschauen auf alles, was geschehen ist, diesen Nebel der Verschwiegenheit und L?ung lichten. Also sichteten wir Verwaltungsakten, Prozessakten, die noch vorhandenen Krankengeschichten der get?teten Menschen und wir sprachen mit Zeitzeugen. Dabei stie?n wir immer wieder auf Ernst Lossa. Den amerikanischen Offizieren, die 1945 als Erste in der Klinik ermittelt hatten, war es offensichtlich ?lich gegangen wie sp?r uns. Bei ihren Verh?ren der ?zte und des Klinikpersonals sahen sie sich mit so Unfassbarem konfrontiert, dass sie das Bed?rfnis hatten, die Ereignisse besser verstehen zu k?nnen, und zwar in einem Einzelschicksal personifiziert. So fanden sich viele Zeugenaussagen ?ber Ernst. Diese sind, erweitert um die Schilderungen von Ernsts Schwestern Amalie und Anna, die heute noch leben, und um die Ergebnisse von Robert Domes' umfangreichen Recherchen, die Grundlage dieses Buches. Millionen Menschen wurden Opfer des Holocaust, Hunderttausende wurden Opfer des Kriegs gegen psychisch kranke Menschen, diese Zahlen versperren uns den Blick auf den Einzelnen. Als ich Ernsts Krankengeschichte zum ersten Mal in die Hand nahm, hat mich das dort angeheftete Foto tief bewegt und nicht mehr losgelassen. Seitdem f?hre ich innere Gespr?e mit ihm, und oft habe ich bei schwierigen beruflichen Entscheidungen versucht, mein zu l?sendes Problem aus Ernsts Perspektive zu betrachten, und dann wusste ich, wie ich zu entscheiden hatte. Auf dem Foto schaut Ernst uns an, herausfordernd und zugleich tieftraurig, Kind und Erwachsener zugleich. Leseprobe

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