Beschreibung
Anschaulich, souverän und mit großartigen Lebensbildern der geschichtlichen Akteure vergegenwärtigt Ekkehard Eickhoff den Aufstieg Wiens zur europäischen Großmacht im Kampf gegen das vor dem beginnenden Niedergang stehende Osmanische Reich. Der aktualisierte Klassiker zum Verständnis des europäischen Verhältnisses zum Islam. Dank der weit gespannten Betrachtung der Außenpolitik, des Gegen- und Ineinander der Interessen zwischen Paris, Moskau, Wien, Istanbul und Brandenburg erklärt Ekkehard Eickhoff, wie dramatische Ereignisse größter Tragweite sich wechselseitig bedingten, wie das Osmanische Reich seine tiefe innere Krise überwand, wie sein Zurückweichen in Südosteuropa den Aufstieg Österreichs zur Großmacht ermöglichte und vor allem - sonst nur als Randepisode behandelt - welche Bedeutung dabei dem 24-jährigen Seekrieg Venedigs gegen das türkische Reich zukam. Zugleich aber macht Eickhoff deutlich, wie sich im Aufeinanderprallen von westlicher und östlicher Lebensart und Geisteshaltung epochale Umwälzungen auf wirtschaftlichem, gesellschaftlichem und kulturellem Gebiet herausbildeten. Wien, Venedig, die Hohe Pforte, Ungarn, Galizien, die Ukraine, Dalmatien, Griechenland, die Ägäis und die Dardanellen - das sind die Schauplätze, an die uns Ekkehard Eickhoff führt; Offiziere, Staatsdiener und Diplomaten der Republik Venedig, vom Hof des Sonnenkönigs und aus dem kaiserlichen Wien - das sind die Augenzeugen, die er wieder zum Sprechen bringt. Sachlich fundierte und zugleich lebendige Geschichtsschreibung, die den Leser zu fesseln vermag.
Autorenportrait
Ekkehard Eickhoff, geboren 1927 in Berlin, habilitierte sich 1973 für mittelalterliche und neuere Geschichte an der Universität Stuttgart. Seit 1953 gehörte er dem Auswärtigen Dienst an, arbeitete an den Botschaften in Kairo, Bern und Ankara sowie in der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes. Er war Botschafter in Südafrika, Irland und in der Türkei und leitete die KSZE-Delegation der Bundesrepublik Deutschland in Wien. In seinen Büchern und Aufsätzen behandelt er Themen der mittelmeerischen und südosteuropäischen Geschichte und deren Bedeutung für die Geschichte Deutschlands und Mitteleuropas.
Leseprobe
Die Belagerung Schon am nächsten Tag erschien das türkische Heer vor Wien. Nun erst zog sich Karl von Lothringen mit seinem Reiterheer und der Feldartillerie, die bis zum Entscheidungstag aufgespart werden mußte, auf das andere Ufer zurück, die Schiffsbrücke wurde von der Nachhut unter Schultz, der die andrängenden Verfolger in dreistündigem Gefecht zurückschlug, abgebrochen - hinter ihnen gingen die Leopoldstadt und das Schloß Favorite im Augarten in Flammen auf. Ein Kavalleriedetachement schwamm über den südlichen Donauarm und verbrannte die Fischerboote vor dem türkischen Lager. Am 15. Juli eröffneten die Geschütze des französischen Renegaten Ahmed Bey, eines ehemaligen Kapuziners, die Kanonade. Er selbst hatte mit einer Gesandtschaft Tökölys zuvor in Wien die Festungswerke besichtigt. Am gleichen Tag überbrachte ein reitender Sipahi, der muslimischen Tradition entsprechend, die Aufforderung, den Islam anzunehmen und sich auf Tribut zu ergeben. Am 16. sah sich die Stadt vollständig umschlossen. Zugleich war das offene Land dem Einbruch tatarischer Reiterscharen fast wehrlos preisgegeben. Schon in den ersten Julitagen, als die Tataren bei Raab die Donau überschritten hatten, waren sie dem Heer Kara Mustafas weit vorausgeeilt und hatten das Land bis Bruck an der Leitha und um den Neusiedler See überrannt. Seit dem 5. Juli erschienen Flüchtlingskolonnen in allen festen Plätzen um Wien und im hinteren Niederösterreich. Kurz vor der Einschließung Wiens erreichte die türkische Vorhut unter Kara Mehmed Pascha von Diyarbakir und Murad Giray, dem Khan der Krim, Wiener Neustadt und forderte es mit dem gleichen Sendschreiben zur Übergabe auf, das man vorher Ödenburg und nachher Wien überbrachte. Wiener Neustadt, dessen tatkräftiger Bischof Graf Kollonitsch zur Verteidigung in die Hauptstadt geeilt war, wurde von Graf Castelli und seinen Dragonern sowie von der Bürgerwehr mehr als zwei Monate lang erfolgreich gehalten. Aber offene Dörfer und Flecken, Klöster und Märkte fielen den schnellen Tatarenschwärmen und ihrer Brandfackel zum Opfer. Oft waren die Spitzen der Krimtataren den behördlichen Warnungen und den Flüchtlingshaufen voraus, so daß sie auf ganz unvorbereitete Ortschaften stießen. Überall wurde bewaffneter Widerstand niedergemacht, Männer, Frauen und Kinder an den Händen zusammengebunden, manchen die Füße in Ketten gelegt, wurden davongetrieben, um im Heerlager verkauft zu werden. Alte und Kranke und zu kleine Kinder wurden niedergehauen oder ertränkt. An der Donau entlang stießen die Reiterhorden über das Tullner Feld bis nach Oberösterreich vor, weiter südlich überrannten sie die Hänge und Täler des Wienerwaldes, wo Orte und Klöster in Flammen aufgingen: so Hainfeld und Perchtoldsdorf, Altmarkt und Heiligkreuz, Rainfeld und St. Veit. In St. Pölten setzten sich 2000 Tataren fest und plünderten die Umgebung. Auf dem offenen Land und in den stillen Tälern des Wienerwalds, wo dieser apokalyptische Sturm die obrigkeitliche Schutz- und Zwangsordnung weggefegt hatte, zeigten sich jetzt in den Prachtfassaden der barocken Gesellschaft die Risse. Waffen und Wehrverhaue, mit denen bäuerliche Selbsthilfe sich gegen die Eindringlinge zu schützen suchte, richteten sich plötzlich auch gegen die Herren und Plagegeister von gestern. Besonderer Haß trat dabei gegen die Ordensgeistlichen zutage, während man die ' Leutpriester ' eher un geschoren ließ. Man erinnerte sich, mit wieviel Schweiß und Entbehrung fronende Bauern an den Wunderwerken des österreichischen Klosterbarock gearbeitet hatten. Von den verhaßten Pfaffen forderte man Weg- und Lösegelder und bedrohte sie mit dem Tod. Ebenso schwand vielerorts über Nacht die Autorität der Amtmänner und Vögte. Nicht nur der überlebende heimliche Protestantismus ganzer Landstriche Niederösterreichs, sondern die Kirchen- und Herrenfeindlichkeit des Landvolks schlechthin wurden sichtbar, und man konnte die Forderung hören, nun müßten
Schlagzeile
Der Klassiker zur Geschichte der Osmanen und des christlichen Europa