Beschreibung
Erinnerungen, Träume, Bücher, Bilder, Schlagzeilen, Wetterberichte nimmt Margret Kreidl zum Anlass und als Material für ihre Gedichte. So kommt die Autorin von der Familiencouch zum Rasenkorridor, von der Aschekiste zur Wolkenschachtel oder vom ukrainischen Baumwollstilzchen zum Buddha am Bodensee. Frau Doktor Winnetou tritt auf und die Tochter von James Joyce. Das Lob der Reibefrucht wird gesungen, auf einer Ansichtskarte wird getanzt. Es gibt die blaue Vernunft und Fragen im Dunkeln. Und es gibt mehr Frauen als Antworten. Zugleich schöpft Margret Kreidl aus der Vielfalt lyrischer Formen und Traditionen. Ob Lied, Sinnspruch, gereimte Zweizeiler, Prosagedicht, Epigramm oder Laut- und Listengedicht, jedes Gedicht hat einen eigenen Ton für seine eigene Welt. Und jedes Gedicht hat eine Fußnote. Dabei geht es nicht um den wissenschaftlichen Verweis, sondern um ein Spiel mit Beglaubigung und Kommentar. Die Fußnote hält den Raum des Gedichts für Leser und Leserinnen offen, für ein Weiter- und Nachlesen.
Leseprobe
Erinnerung, Spur, Grabstein. Buchstaben auf einem Stein. Schreibblockade, Sprachhemmung. Der Stein im Mund macht die Zunge geschmeidig. Der offene Mund. Die Bluse: Hemd, Hülle, Halt, Verhüllung. Dieser Mund sagt nichts über die Bluse. Geschlechtsteile, Mitteilungen. Was die Teile zusammenhält: Wortfamilie, Familiensinn. Der Vater steht auf der Kippe. Zitat oder Echo. Wiederholung. Das Kind ist ein Teil der Familie. Fallgeschichte. Die Mutter stirbt, der Bruder liegt in der Wiege. Schaustück, lackiertes Glück. Die Couch hilft nicht, nichts. Weiß nicht. Das Kind weiß nicht, wovon die Rede ist. Sagen, wissen, besser wissen. Schule, Sprache, Spruch. Widerspruch. Das Kind stottert. Reiß dich zusammen. Weh. O Weh. Das Kind weint. Es bleibt in der Familie. (Fußnote:) Im 'Familienroman' von Freud bildet sich das Kind ein, ein Findelkind zu sein.