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Warum ich noch immer an den Nikolaus glaube

Erzählungen

Erschienen am 20.10.2017, 1. Auflage 2017
8,90 €
(inkl. MwSt.)

Nicht lieferbar

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783961116676
Sprache: Deutsch
Umfang: 100 S.
Format (T/L/B): 0.9 x 20.5 x 14.2 cm
Lesealter: 10-99 J.
Einband: Paperback

Beschreibung

Ein Buch über die Erinnerungen und Gedanken eines Mannes, der wohl noch immer an den Nikolaus glaubt.

Autorenportrait

Gerhard Roth, Jahrgang 48, lebt in Hanau. Er ist Autor von Kurzgeschichten, Theaterstücken, Kinderbüchern und lyrischen Texten. Seine bewegte Vita: Matrose, Bootsmann, Havarieinspektor, Finanzangestellter, Postangestellter und Intensivfachpfleger brachte ihn durch die vielfältigen Erfahrungen zum Schreiben. Die Technik dazu lernte er in Darmstadt und Frankfurt. Er ist in verschiedenen Anthologien vertreten, veröffentlichte zahlreiche Bücher und präsentiert seine lyrischen Texte und Kurzgeschichten in vielen Lesungen.

Leseprobe

DER HOLZBEINNIKOLAUS Der Nikolaus humpelte. Sein linkes Bein stieß immer ein wenig früher auf den Boden als sein rechtes. Ich kannte mich mit Humpeln aus, weil sie Papa im Krieg das Bein abgeschossen hatten und er so ähnlich humpelte wie der Nikolaus. Natürlich hatten wir Kinder immer Angst vor dem Nikolaus. Mit fünf Jahren hatte man oft Angst. Manchmal einfach nur so. Und man konnte nie so genau wissen, ob der Nikolaus nicht auch alles erfuhr, was wir übers Jahr hin so ausgefressen hatten. Und nicht nur, weil er so komisch ging. Ob er auch wusste, dass ich im Sommer das Kläppchen des Hühnerstalls offen gelassen hatte? Meine Kinderaufgabe bestand darin, Anmachholz mit einer Art Machete zu spalten, die Briketts im Keller zu stapeln, die Eier aus dem Hühnerstall zu holen und abends dieses Kläppchen zu schließen, damit der Marder die Hühner nicht besuchen konnte. Und was dann alles passiert war! Es war Spätsommer und abends noch so warm, dass die Stubenfliegen mit einem irrsinnigen Gebrumm gegen die Packpapierrollos flogen und die abendliche Spätsonne orange-farbene Streifen in das Schlafzimmer malte. Wenn man die Augen ganz fest schloss und mit den Zeigefingerkuppen auf die Lider drückte, konnte man hellgrüne, verspritzende Punkte mit einem langen, blauroten Schweif sehen. So stellte ich mir den unendlichen Himmel vor. Von meinem Bett aus hörte ich die dunklen Stimmen der Erwachsenen unten im Hof, wie sie mit den Nachbarn sprachen und das Plopp der Bierflaschen, von denen jeder eine mitgebracht hatte. Die Stimmen hörten sich immer entfernter an. Irgendwann erklang eine Ziehharmonika und das Singen und Lachen hörten sich dann immer weiter entfernt wie unter Wasser an. Durch ein Riesengeschrei im Hof und am Hühnerstall wurde ich mitten in der heißen Sommernacht geweckt und rannte über die Holztreppe nach unten. Opa saß auf einem kaputten Gartenstuhl, meine Eltern und die Nachbarn standen um ihn herum und einer hatte schon einen dicken Verband um Opas großen Fußzeh gewickelt. Irgendjemand flößte ihm Schnaps oder etwas Ähnliches ein. Es roch jedenfalls nach Alkohol. Ein Marder war durch das kleine, viereckige Kläppchen in den Hühnerstall eingedrungen, hatte fünf Hühner massakriert und angelockt durch das schreckliche Gackern hatte Opa mit einer riesigen Autoreifenluftpumpe vor dem Kläppchen gestanden und darauf gewartet, dass der Marder heraus huschte, um ihm kräftig eins zu verpassen. Aber der Marder war zu flink, Opa zu langsam und in der Aufregung hatte er sich mit einem gewaltigen Schwinger den großen Fußzeh zertrümmert. Und alle Nachbarn dachten, dass Opa überfallen worden wäre, weil er so laut geschrien hatte. Ob der Nikolaus das mit dem offenen Hühnerkläppchen und so wusste? Jedenfalls brummte er mit einem ganz tiefen Bass, ob ich nach dem Brikettstapeln wohl immer meine Hände wasche. Ich saß auf Mutters Schoß und war erleichtert, weil ich meines kindlichen Wissens nach immer nach dem Brikettstapeln meine Hände gewaschen hatte. Jedenfalls hatte es auf dem Handtuch oft so ausgesehen. Vielleicht wusste er doch nicht alles. Da kamen mir die ersten Zweifel. Der Nikolaus musste doch einfach alles wissen! Wozu war er dann der Nikolaus? Wenn nicht er, wer dann? Anschließend fragte er mich, ob ich vielleicht einer der Lausejungs gewesen sei, die auf dem Gelände mit den Kriegsruinen die alte Gartenhütte angezündet hatten. Und woher ich die Streich-hölzer gehabt habe. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, und es fiel mir siedend heiß ein, dass ich meinte, meine Ohren würden verbrennen. Meine Mutter sagte irgendetwas, und ich spürte ihre Stimme an ihrem Bauch. Dann ging der Nikolaus zu seinem Sack, der ein wenig nach alten Kartoffeln roch. Da fiel etwas Erde auf den Holzfußboden heraus, und das hat mich schon ein bisschen verwundert, weil ich immer gedacht hatte, dass alles im Himmel immer blitzblank geputzt sei. So hatte ich es jedenfalls in meinem Kinderbuch gelesen. Wieder ging der Nikolaus so, dass sein linkes Bein ein wenig früher auf den Boden stieß als sein anderes. Papa war auch so gegangen, wenn wir beide im Hof auf einer Raufaserplatte über aufgestellten Holzböcken Tischtennis gespielt hatten. Und es hatte sich genauso angehört. Da kamen mir die zweiten Zweifel. Denn ich wusste aus Papas Erzählungen, wenn er und Mama mit den Verwandten zusammensaßen und wir Kinder hinter den Stühlen spät abends den Gesprächen lauschten, dass man ihm im Krieg ein Bein abgeschossen hatte, als er noch Panzer-zuggeschützführer gewesen war und er beinahe verblutet wäre. Und einmal, als ich früh morgens aufwachte, hatte ich gesehen, dass sich Papa sein Holzbein anschnallte Und jetzt ging dieser Nikolaus genau wie Papa. Aber er hatte eine viel tiefere Stimme. Dann band er mit einer Kordel den Sack auf und schenkte mir genau das Buch, das ich mir gewünscht hatte. Lederstrumpf! Woher konnte der Nikolaus das wissen?! Und Äpfel und Nüsse und so etwas, das mich gar nicht interessierte. Ich flüsterte Mama ins Ohr, ob mir Papa das vorlesen könne. Sie nickte und ich roch ihr Haar. Danach flüsterte sie etwas mit dem Nikolaus und der nickte auch und wedelte mit seinem weißen Bart. Ich war einfach nur froh, dass er mich nicht nach dem offenen Hühnerkläppchen gefragt hatte. Am andern Tag machten Papa und ich eine Schnee-ballschlacht im Hof und besuchten anschließend Opa, der in seinem Bett lag, weil ihm seine große Fußzehe immer noch wehtat.

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