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Die ungeliebte Universität

Rettet die Alma mater!, Edition Akzente

Erschienen am 05.08.2006
14,90 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446208056
Sprache: Deutsch
Umfang: 144 S.
Format (T/L/B): 1.5 x 20.2 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Das Gejammer über die Universitäten nimmt kein Ende - aber warum passiert nichts? Keiner scheint die Universität zu lieben: die Politiker nicht, weil sie Geld kostet, die Professoren nicht, weil das Ideal freier Forschung und Lehre nicht mehr aufrechterhalten wird, und die Studenten nicht, weil sie die angeblich schönsten Jahre ihres Lebens in Wissensfabriken verbringen. Jochen Hörisch plädiert für einen ungewöhnlichen Weg zur Rettung der Universität: weg von Rahmenplänen und Modulen und hin zu mehr Neugier, Experimentierfreude und Leidenschaft zum Lernen.

Autorenportrait

Jochen Hörisch, Jahrgang 1951, war Professor für Neuere Germanistik und Medienanalyse an der Universität Mannheim. Er ist Mitglied mehrerer Akademien und lebt in der Nähe von Mannheim. Bei Hanser erschienen zuletzt Tauschen, sprechen, begehren. Eine Kritik der unreinen Vernunft (EA, 2011) , Hände. Eine Kulturgeschichte (2021).und Poesie und Politik. Szenen einer riskanten Beziehung (2022).

Leseprobe

Die deutschen Universitäten kranken an Unterausstattung bzw. 'Überlasten'. Nicht nur Kollegen von guten amerikanischen Universitäten, die sich an deutschen Universitäten umschauen, kommen aus dem Staunen kaum heraus, wenn sie sehen, wieviel Teilnehmer ein Seminar in einem Massenfach wie BWL, Jura oder Germanistik hat, wie hoch das Lehrdeputat ihrer deutschen Kollegen ist, wieviel Examina sie abzunehmen haben und wie hoch ihre Belastung mit Gremienarbeit ist. Selbstredend staunen sie und mehr noch amerikanische Studenten, die ein Studienjahr in Deutschland verbringen, auch darüber, wie wenig Zeit deutsche Dozenten für Gespräche mit ihren Studenten haben - denn das sollte doch neben der Forschung ihr Kerngeschäft sein. Studiengebühren, die den Hochschulen zugute kommen, können hier für eine einfache Abhilfe sorgen: wenn denn 90 Prozent der Studierenden bald an einer Hochschule und nicht an einer Alma mater resp. Universität studieren, dann soll es an diesen Hoch-Schulen auch genügend Lehrer, also Lernbedingungen geben, die nicht viel schlechter sind als die an deutschen Gymnasien. Und das heißt konkret: es muß mehr Angehörige des sogenannten akademischen Mittelbaus geben (eine Empfehlung, die auch der Wissenschaftsrat ausspricht). Wie riskant es ist, sich auf eine Universitätskarriere einzulassen, ist zumindest innerhalb der Campus-Mauern hinreichend bekannt (s. oben Kapitel 4). Eine Bündel-Lösung des Überlastproblems, des Problems der zum Teil skandalös schlechten Betreuungsverhältnisse und der allzu vielen gescheiterten Uni-Karrieren ist naheliegend. Die österreichische Hochschulpolitik und auf andere Weise das amerikanische tenure-track-Verfahren (wer sich auf sogenannten tenure-track-Stellen als Forscher und Lehrer bewährt, wird nach drei bis fünf Jahren auf Dauer eingestellt) haben eine solche Lösung lange Zeit praktiziert. Auf deutsche Verhältnisse übertragen, hieße das: wer sich nach seiner Promotion als akademischer Lehrer und als Nachwuchswissenschaftler fünf bis sechs Jahre lang erfolgreich profiliert und womöglich gar habilitiert hat, hat einen Anspruch auf eine feste Anstellung - zu zwar menschenwürdigen, aber doch so mäßigen Konditionen (Besoldung wie ein Oberstudienrat, hohes Deputat), daß er die Lust auf weitere Qualifikation und auf Fort-Bewerbungen nicht verliert. Besser könnten Studiengebühren wohl kaum verwendet werden als für die Einstellung von NachwuchswissenschaftlerInnen. Massenuniversität ist eine contradictio in adjecto. Die Alma mater ist auf eine unzeitgemäße Form überschaubarer Binnenkommunikation angewiesen. Dozenten, die ihre Studenten nicht kennen, und Studenten, die keine Möglichkeit zum Gespräch mit ihren Dozenten finden, führen die Universität ad absurdum bzw. in die festen, Ausbildungsmaterial formierenden, Humankapital bildenden Bahnen der Bologna-Hochschule. Zu den untrüglichen Kriterien, die zwischen einer Alma mater und einer Hochschule zu unterscheiden erlauben, gehört es auch, daß in ersterer die Dozenten tatsächlich miteinander kommunizieren, in letzterer kaum. Um Mißverständnisse zu vermeiden: es gibt Universitäten, die sich - wie etwa die Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe - als 'Hochschule' bezeichnen, dem Ideal der Alma mater jedoch sehr viel näher kommen als Institutionen, die sich frohgemut 'Universität' nennen. Wirkliche Universitäten sind auch daran zu erkennen, daß die dort Lehrenden sich kennen und sich von dem faszinieren und irritieren lassen, was die anderen erforschen und gestalten. Eine Universität, die keinen Anspruch darauf stellen muß, geliebt zu werden, weil sie immer schon begehrt und verehrt wird, wird ein unzeitgemäßer Ort sein. Nämlich ein Ort, der Aug in Aug mit den Forderungen des Tages und den angesagten Medientechniken sich den Luxus erlauben kann, auf die Produktivität ältester Kulturtechniken zu vertrauen: auf Neugierde und auf eine Lust am Diskurs, die weiß, was dieses alte Wort (ein Lieblingswort Goethes übrigens) eigentlic ... Leseprobe

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